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Letzter Sündenfall vor der Ausfahrt

■ Am Streit um die Ostseeautobahn zeigt sich der Glaubwürdigkeitsverlust der Politik

Letzter Sündenfall vor der Ausfahrt Am Streit um die Ostseeautobahn zeigt sich der Glaubwürdigkeitsverlust der Politik

Die Ostseeautobahn ist nicht Kalkar, nicht Gorleben, nicht Wackersdorf. Sie ist kein Symbol. Kalkar und Wackersdorf wurden zum Symbol für den politischen Kampf gegen den Staat. Stets hat die politische Klasse dies ihren GegnerInnen entgegengehalten: nicht sachlich, sondern allein ideologisch motiviert zu den Bauzäunen zu pilgern.

In den 90er Jahren wird hierzulande die Verkehrspolitik — der Autostaat — den Stellenwert einnehmen, den in den 70er und 80er Jahren die Energiepolitik — der Atomstaat — innehatte. Dann könnte die Autobahn im Norden doch noch zum Symbol werden: zum Symbol für die endgültige Flucht der politischen Klasse aus der Politik in die Ideologie.

Der ehemalige Hamburger Innensenator Jörg Kuhbier hat der Kieler Landesregierung einen bemerkenswerten Bericht vorgelegt. Beauftragt herauszufinden, was die zahlreichen Bürgerinitiativen gegen die Autobahn vorbringen, hat der Ex-Politiker Kuhbier die Einwände der Betroffenen nicht einfach addiert. Vielmehr macht er sich die Argumentation derer, die nach einer neuen Verkehrspolitik verlangen, im ganzen zu eigen. Kompetenz, Sachlichkeit, Professionalität, die Fähigkeit zu vernetztem Denken und damit die Voraussetzungen für eine ressortübergreifende, ökologisch und ökonomisch zukunftsweisende Politik hat er nicht bei den Regierenden verortet, sondern bei den Regierten. Nicht die bezahlten PolitikerInnen, sondern die FreizeitaktivistInnen bringen heute den Sachverstand mit, der dringend in politisches Handeln umgesetzt werden muß, um die Autokalypse noch abzuwenden.

Unspektakulär findet die Umkehrung der Verhältnisse an den Bauzäunen heute in Versammlungssälen statt: Je pragmatischer und überlegener die ÖkokämpferInnen argumentieren, desto aggressiver reagieren die PolitikerInnen. Unfähig zur Kommunikation klammern sie sich an den längst zur puren Ideologie verkommenen Glaubenssatz, Wirtschaftswachstum und Autoverkehr seien untrennbar aneinander gekettet: mehr Reichtum — mehr Verkehr. Der Dialog bricht ab.

Björn Engholm, der in Bonn Töpfer wegen dessen halbherziger Klimapolitik angreift, sich aber in Kiel hinter Krause versteckt, um die Autobahn durchzuziehen, hat den politischen Bankrott selbst formuliert: In zwanzig Jahren werde niemand in Deutschland mehr eine Autobahn bauen. Die Ostseepiste, sagt der Polit-Moderator aus dem Norden, sei sein „letzter Sündenfall“. Er gibt seinen GegnerInnen recht und signalisiert den Tiefbauunternehmen, das Betonieren könne bald beginnen. Sein Umweltminister Heydemann nennt das „Öko- Autobahn“. Der Glaubwürdigkeitsverlust ist total. Bettina Markmeyer

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