18 Monate für 13 Jahre

■ Der Berliner Journalist Stephen Laufer wurde gestern wegen seiner Tätigkeit für den KGB zu einer Bewährungsstrafe verurteilt/ Viele Fragen blieben offen

Berlin (taz) — Er sei froh, daß das nun endlich alles vorbei sei, erklärte der Angeklagte nach den Plädoyers seines Verteidigers und des Staatsanwaltes. Nach neunzigminütiger Beratung verkündete der erste Strafsenat des Berliner Kammergerichts dann das Urteil über den 38jährigen Journalisten Stephen Laufer, der bis zum Jahr 1990 für den KGB gearbeitet hat: 18 Monate Haft auf Bewährung, 20.000 Mark Geldstrafe zugunsten der Landeskasse Berlin. Die 3.000 Mark Agentenlohn, die Laufer als Student von seinem Führungsoffizier Gregor erhielt, soll er an die Staatskasse zahlen. Stephen Laufer wird keine Revision einlegen, das Urteil ist rechtskräftig.

Nach Verkündung des Urteils wandte sich der Richter an das Saalpublikum: Wenn bei den Zuhörern der Eindruck entstanden sei, daß hier „Fragen offen geblieben sind“, hänge das damit zusammen, daß das Gericht bei der Beweisaufnahme fast ausschließlich auf das Geständnis des Angeklagten zurückgreifen mußte. Im Winter 1990/91 hatte ein Stasi-Überläufer der Bundesanwaltschaft über Stephen Laufers Beziehungen zum KGB unterrichtet; belastende Akten oder Zeugen konnte der MfS-Mann aber nicht präsentieren. So mußte das Gericht für bare Münze nehmen, was der Ex-Reporter, Ex-Diepgen-Mitarbeiter und Ex-Presseattaché der Berliner US-Mission selbst über seine Agententätigkeit berichtet hatte.

Laufer sei für den KGB ein „wichtiger Mann“ gewesen, erklärte der Richter, besonders weil er aus seiner Vertrauensstellung im Senat „wesentliche Einblicke in die Politik“ liefern konnte. Etwa vier- bis sechsmal im Jahr habe er sich in Ost-Berlin mit seinem jeweiligen Führungsoffizier getroffen. Auch wenn Laufer keine Geheimnisse verraten habe, seien seine Hintergrundinformationen für die Sowjets von „entscheidender Bedeutung“ gewesen. Die Informationen, die der zweisprachig aufgewachsene Journalist während seiner Tätigkeit in der Berliner US-Mission an den KGB weitergegeben hatte, standen im Prozeß nicht zur Debatte: Das Gericht hatte nur über Sachverhalte zu urteilen, die deutsche Interessen berührten. So kam Laufers Liebesbeziehung zur Tochter des amerikanischen Stadtkommandanten ebensowenig zur Sprache wie seine guten Verbindungen in die US-Politik oder seine vorzüglichen Kontakte zur Berliner Presse. Dem Vernehmen nach hat der FBI im vergangenen Jahr zwar intensive Ermittlungen über Laufer angestellt. Justitiabel werden die Ergebnisse dieser Recherchen aber erst dann, wenn Laufer amerikanischen Boden betreten würde. „Das würde ich ihm nicht raten“, sagte der Staatsanwalt am Rande des Prozesses zu Journalisten.

Das Gericht hielt Laufer zugute, daß er den Kontakt zum KGB im Jahre 1990 aus eigenem Antrieb abbrach und nach seiner Verhaftung im Januar 1991 ein komplettes Geständnis abgelegt hatte. Die steile journalistische Karriere des Mannes, der von den einen als intelligenter Kommunikator geschätzt, von den anderen als „Willi Wichtig“ verachtet worden war, ist in jedem Fall beendet: Laufer arbeitet heute für ein britisches Planungsbüro und verdient 3.500 Mark netto im Monat.

Rund 3.000 Menschen haben nach Schätzungen des Berliner Verfassungsschutzes in Berlin für ausländische Geheimdienste gearbeitet, als die Mauer noch stand. Die bisherige Ausbeute der Staatsanwälte scheint angesichts dieser Zahl eher gering zu sein: Im Jahre 1990 gab es eine Anklage, im Jahr darauf drei und in diesem Jahr bisher acht Anklagen gegen Personen, die östlichen Geheimdiensten Informationen geliefert hatten. Die CIA, die in Berlin ebenfalls sehr rührig war, taucht in dieser Statistik natürlich nicht auf. Die andere Seite der Wahrheit über den Kalten Krieg erfährt man in Berlin nicht in den Gerichtssälen. CC Malzahn