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Lissabon klopft sich auf die Schulter

Beim seinem ersten EG-Ratsvorsitz hat sich das kleine Land zumindest keine groben Schnitzer geleistet/ Richtungweisende politische Entscheidungen sollen erst beim nächsten EG-Gipfel fallen  ■ Aus Lissabon Antje Bauer

„Dafür, daß es das erste Mal war, ist das Ergebnis nicht rein negativ.“ — Mit dieser wenig euphorischen Bemerkung beurteilt die portugiesische Wochenzeitung 'Expresso‘ den portugiesischen EG-Vorsitz, der an diesem Wochenende mit dem Gipfel in Lissabon seinen Höhepunkt erreicht. Schon immer hatten die kleinen EG- Länder während ihrer Präsidentschaft mit der Einstellung der Großen zu kämpfen gehabt, es handele sich um eine Übergangsperiode bis zum Vorsitz des nächsten Mächtigen. Portugal, klein, arm und relativ neu in der Gemeinschaft, hatte jedoch nicht nur mit diesem Vorurteil zu kämpfen: In seine Zeit fielen die wohl schwierigsten Probleme, mit denen die EG seit ihrer Gründung zu kämpfen hatte. Kurz vor der Übernahme des Vorsitzes, im vergangenen Dezember, begann es mit dem deutschen Vormarsch in Sachen Anerkennung von Kroatien und Slowenien, der auch innerhalb der EG Spannungen auslöste. Die darauf erfolgte gemeinsame Anerkennung der Unabhängigkeit der von Jugoslawien abgefallenen Länder durch die EG wird heute von vielen als übereilt angesehen. Unterdessen konnte das Problem der Anerkennung von Mazedonien aufgrund der Gegnerschaft Griechenlands nicht gelöst werden. Zahlreiche Treffen und Verhandlungsversuche der Portugiesen in der Jugoslawienkrise erwiesen sich als erfolglos und zeugten von der außenpolitischen Konzeptions- und Machtlosigkeit der EG. Der zweite— unerwartete — Schlag war das dänische Nein zu Maastricht, dem der portugiesische Premierminister Cavaco Silva die Entschiedenheit entgegensetzte, den europäischen Einigungsvertrag, wie auch immer, fortzusetzen. Wie dies geschehen soll, kann auf dem Lissaboner Gipfel allerdings höchstens anvisiert werden — entscheiden wird der Gipfel in Edinburgh Ende des Jahres.

Auch in einem weiteren Punkt, der Portugal am Herzen lag, wird sich die EG auf diesem Gipfel nicht einigen: Das Delors-II-Paket, das die Verteilung von Geldern an die vier ärmsten EG-Länder Spanien, Portugal, Griechenland und Irland festlegt. War es dem spanischen Premierminister Gonzalez während seines EG-Vorsitzes nicht gelungen, den angepeilten Sozialpakt in der gewünschten Form zu verabschieden, so biß jetzt Portugal bei den Strukturfonds auf Granit. Aus Spanien kam denn auch Kritik, weil sich Cavaco Silva geweigert hatte, einen Sondergipfel zur Anwendung der Maastrichter Abkommen anzuberaumen. Die Position, daß vor der anvisierten EG-Erweiterung die neuen Strukturfonds verabschiedet sein müssen und die EG eine neue politische Form bekommen haben muß — in der sich ebenfalls Spanien und Portugal einig sind — stößt vor allem bei Kohl und Mitterrand auf heftigen Widerstand. Angesichts der generellen Unklarheit über Maastricht ist dieser Konflikt in den Hintergrund gerückt.

Als Erfolge der portugiesischen Präsidentschaft angesehen werden die Verabschiedung des Abkommens über Agrarpolitik — auch wenn sie in mehreren Ländern erheblichen Unmut erzeugt hat — und die Unterzeichnung des EG-EFTA-Vertrages am 2. Mai im portugiesischen Porto. Weit entfernt vom Triumphalismus, den die spanische Regierung nach ihrer ersten Präsidentschaft ausstrahlte, scheint man in Portugal schon zufrieden, nicht großartig ins Fettnäpfchen getreten zu sein.

Vor kurzem hat sich in Portugal eine „Bewegung für ein Referendum“ gebildet, die eine Volksbefragung über Maastricht fordert. Dieser Forderung haben sich zum Ärger der großen Parteien neben den kleinen Linksparteien und der rechten CDS auch prominente Angehörige der regierenden Sozioaldemokraten (PSD) und der Sozialistischen Partei (PS) angeschlossen — darunter Staatspräsident Mario Soares selbst. Glücklicherweise geht dieser Kelch an Cavaco Silva während der Präsidentschaft vorbei — für ein Referendum müßte zuerst die Verfassung geändert werden. Eine große Genugtuung haben die Portugiesen auf jeden Fall: daß manch einer in der EG wünschen würde, auch die nächste Präsidentschaft liege bei Portugal statt bei Großbritannien, dessen Politik wohl weiter bremsen wird.

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