Sternstunde in der Komischen Oper

■ Bühne in der Behrenstraße schickte Kartenbesitzer nach Hause: Daimler hatte alles gekauft

Berlin. Es war die komischste Oper, die Ingo Dickel je erlebt hatte. »Ich war wie vor den Kopf gestoßen«, erinnert er sich. Mit seiner Frau und zwei Freunden wollte er am Freitag abend einen Ballettabend in der Komischen Oper in der Behrenstraße besuchen. Die Karten, für ein Ballett zu Stücken von Hindemith und Vivaldis »Vier Jahreszeiten«, hatten sie sich vor drei Wochen besorgt. Doch als sie die Billetts am Freitag abend vorzeigten, wies der Kartenabreißer sie zurück: »Geschlossene Veranstaltung«. Das Geld bekam Dickel zurück. Ersatzkarten erhielt er nicht.

Daimler-Benz habe das Haus gemietet, soviel wurde den Musikfreunden verraten. Er könne den Ärger verstehen, versicherte ihnen ein Konzernvertreter, doch jetzt bitte er darum, Platz zu machen. Ein dutzend Besucher, beobachtete Dickel, wurde ebenfalls abgewiesen. »So etwas habe ich noch nicht erlebt«, sagt er. Ein Ostberliner habe geschimpft, das sei ja »wie früher«.

45 Karten hatte die Komische Oper im Vorverkauf bereits veräußert, als der Vertrag mit Daimler-Benz geschlossen wurde. Das bestätigte gestern Uwe Kreyssig, der stellvertretende Intendant der Bühne. Über Plakate, Rundfunk und Zeitungen habe man versucht, die Kartenbesitzer zu informieren, versicherte er. Eine »gesunde materielle Verantwortung« habe der Intendanz jedoch geboten, das Angebot des Unternehmens nicht auszuschlagen. Ein volles Haus, wie von Daimler garantiert, bringe 30.000 Mark. Sonst seien solche Vorstellungen nie ausverkauft.

Der Senatskulturverwaltung, die die landeseigene Oper in diesem Jahr mit 41 Millionen Mark subventioniert, war der Vorgang neu. Normalerweise, so hieß es, würden komplette Veranstaltungen nur dann verkauft, wenn der Kartenvorverkauf noch nicht begonnen habe. Daimler-Benz schwieg sich völlig aus. Nicht einmal Informationen über den Charakter der Veranstaltung wollte das Unternehmen gestern preisgeben. Vize-Intendant Kreyssig wußte nur so viel: Zwei neue Autotypen seien präsentiert worden. Ihr Name — »Jahreszeiten« — habe so gut zu Vivaldi gepaßt. hmt