Israel: Der Likud-Block zerbröselt

Nach der Wahlschlappe kündigen Parteichef Jizchak Schamir und Verteidigungsminister Mosche Arens ihren Rückzug ins Private an/ Wahlsieger Jizchak Rabin verhandelt mit den religiösen Parteien  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Kapitäne verlassen das sinkende Likud-Schiff. Nach der Niederlage seiner Partei bei den israelischen Parlamentswahlen vom Dienstag erklärte der bisherige Verteidigungsminister Mosche Arens am Donnerstag abend seinen Rückzug aus der Politik. Arens galt als potentieller Nachfolger von Parteichef Jizchak Schamir. Dieser kündigte ebenfalls an, in den nächsten Tagen zurückreten zu wollen.

Im Likud-Block deutet nun alles auf einen bevorstehenden Machtkampf um die Parteiführung hin. In der engeren Auswahl stehen Ariel Scharon, David Levy, Beni Begin, Moshe Kazav und Benjamin Netanjahu. Zur Disposition steht auch eine Spaltung des Blocks. Nach dem Auseinanderbrechen könnten Teile des konservativen Bündnisses den Anschluß an die neue Rabin-Regierung suchen.

Seit gestern liegt das amtliche Endergebnis der Wahlen vor. Nach Auszählung auch der von Militärs abgegebenen Stimmen, ergibt sich im Vergleich zum vorläufigen Ergebnis eine leiche Verschiebung nach rechts. Die Arbeiterpartei bekommt nur 44 Sitze in der Knesset. Bisher war man von 45 Mandaten ausgegangen. Die beiden rechtsaußen stehenden Parteien „Moledet“ und „Tzomet“ bekommen je einen Sitz mehr als bisher angenommen. Tzomet bildet mit 7 Sitzen nun die viertgrößte Fraktion in der Knesset. „Shass“, der sephardische Flügel der orthodoxen „Agudat Jisrael“ hat nur 6 anstatt der bisher angekündigten 7 Sitze. Das Verhältnis zwischen Linksblock und Rechtsblock beträgt damit 61 zu 59 Mandaten.

Jizchak Rabin will noch am Wochenende Koalitionsverhandlungen mit den orthodox-religiösen Listen „Jahadut Hatora“ und „Shass“, sowie der linken „Meretz“-Liste aufnehmen. Kontakte gibt es auch zwischen der Arbeiterpartei und der rechtsextremen „Tzomet“-Partei. In den Reihen von „Meretz“ macht sich über diese Taktik Rabins Unzufriedenheit breit. Dort hatte man gehofft, Rabin würde zuerst eine Koalition mit dem Linksbündnis eingehen und dann weitere Verhandlungen aufnehmen.

Sechs Tote seit den Knessetwahlen

Jerusalem (afp) — Drei Israelis und drei Palästinenser sind am Donnerstag in den besetzten Gebieten getötet worden. Auf der Westbank wurden ein israelischer Soldat und drei Palästinenser bei einem Schußwechsel in der Nähe von Dschenin getötet. Zuvor waren im Gazastreifen zwei israelische Kaufleute von Palästinensern erstochen worden. Die Gruppe Essedin Kassem, der bewaffnete Arm der islamistischen Palästinenserbewegung Hamas, bekannte sich am Donnerstag abend zu dem Attentat. In Slogans, die auf Mauern im Gazastreifen gepinselt wurden, hieß es: „Dies war ein Geschenk, um den Wahlsieg des Schweins Rabin zu feiern.“ Rabin kündigte an, er werde „mit eiserner Hand“ gegen die Attentäter vorgehen.

Die beiden Opfer des Anschlags im Gazastreifen hatten nach israelischen Angaben zum Einkaufen die Grenze überquert. Auf einem Markt rund 500 Meter vom Übergang Nahal Os boten ihnen Palästinenser Gemüse an. Danach stürzten sie sich mit Messern auf die Israelis.

Auf der Westbank stieß nach Angaben der Armee eine israelische Patrouille bei Dschenin auf vier bewaffnete Palästinenser, die zu den „Roten Adlern“, dem bewaffneten Arm der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) gehört haben sollen. Es sei zu einer Schießerei gekommen, bei der ein Israeli und drei Mitglieder der Gruppe getötet wurden.