72 Stimmen mehr für Fristenregelung

Mit großer Mehrheit stimmten Abgeordnete aller Fraktionen gestern für die Fristenregelung mit Beratungspflicht/ 32 CDU-Abgeordnete unterstützten den Gruppenantrag  ■ Aus Bonn Karin Flothmann

Mit insgesamt 355 Stimmen aus den Reihen aller Fraktionen wurde in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Bundestag in dritter Lesung der Gesetzentwurf einer Fristenregelung mit Beratungspflicht verabschiedet. Gegen den Gruppenantrag, der von FDP, SPD und Mitgliedern des Bündnis 90 und der CDU eingebracht worden war, stimmten 283 Abgeordnete. Insgesamt 16 enthielten sich der Stimme.

Bei der 14stündigen Debatte hatte sich keine rechte Spannung einstellen wollen.

Erst als Helmuth Becker (SPD) als stellvertretender Bundestagspräsident noch einmal die Wahlmodalitäten verkündete, füllte sich der Plenarsaal langsam wieder mit Abgeordneten. Sieben namentliche Stimmabgaben standen an, denn nachdem die PDS angekündigt hatte, sie wolle den SPD-Entwurf selbst noch einmal einbringen, zogen SPD und FDP ihre eigenen Gesetzesentwürfe doch nicht, wie zuvor angekündigt, zurück.

Die letzte BesucherInnengruppe auf der Tribüne, die gegen elf ins Haus geschleust worden war, jubilierte. „Guck mal, da hinten rechts, da sitzt der Kohl!“ Im anschließenden Wahlgewühl verloren sie ihre Lieblingsabgeordneten jedoch aus den Augen. Denn der Plenarsaal verwandelte sich in ein waberndes Meer von Stimmwilligen. Jeder Entwurf wurde nacheinander aufgerufen, siebenmal zückten Abgeordnete ihre Stimmzettel, siebenmal verkündete Helmuth Becker eine Unterbrechung der Sitzung, damit die Stimmen ausgezählt werden konnten. Die Protokollanten erwiesen sich als wahre Zählwunder, innerhalb von sieben Minuten lag das jeweilige Ergebnis schon wieder auf dem Präsidialtisch.

Langsam und stetig stieg die Spannung an. Peter Struck, Geschäftsführer der SPD, hielt ganz jovial die rote Stimmkarte (Neinstimme) in die Höhe, um auch den schon leicht angeschlagenen verirrten Schäflein seiner Fraktion den rechten Weg zu weisen. Erst bei der sechsten Abstimmung, bei der es um den Indikationsentwurf der Union ging, kam beim verkündeten Ergebnis von nur 272 Jas verhaltene Freude auf. Doch die wurde sofort von zischelnden Pst-Rufern wieder gedämpft. Als dann der Gruppenantrag gegen ein Uhr die erforderliche Mehrheit erhielt, blieb die Stimmung weiterhin ruhig. Erleichterung zeichnete sich bei FDP und SPD ab, die meisten UnionspolitikerInnen guckten mißmutig drein.

Doch gerade mit den Stimmen der CDU, und hier vor allem mit den Stimmen der Ost-CDUler, kam die Fristenregelung letztlich erst durch. Von 32 CDU-Abgeordneten, die für den Gruppenantrag stimmten, stammen 20 aus den neuen Bundesländern. Nur ganze sieben CDU-Frauen von insgesamt 46 Unionspolitikerinnen gaben der Fristenregelung ihr Jawort. Und Frauenministerin Angelika Merkel enthielt sich ihrer Stimme und hüllte sich in Schweigen. Wie schon in ihren Redebeiträgen angekündigt, enthielt sich Christina Schenk vom Unabhängigen Frauenverband. Zwei Abgeordnete der PDS stimmten mit Nein, doch auch bei FDP und SPD ließen sich Nein-Sager finden.

Als letzte von insgesamt acht namentlichen Abstimmungen blieb die dritte Lesung eine erholsam kurze Prozedur. Viele Abgeordnete warfen ihren Stimmzettel gleich am Ausgang des alten Wasserwerks in die Urne, um nach 16stündigem Plenumstag endlich nach Haus zu kommen.

In der Debatte selbst hatte sich kaum einschätzen lassen, wie viele CDUler letztlich mit FDP und SPD stimmen würden. Sprach sich eine CDU-Abgeordnete für die Fristenregelung aus, so applaudierten ihr höchstens ein bis zwei CDU-Abgeordnete. Der frauenverachtende Gesetzentwurf der Gruppe um den CDU-Abgeordneten Werner, der irische Verhältnisse in Deutschland etablieren wollte, wurde von den Unionsbänklern dagegen mit mehr Applaus bedacht. Er erhielt bei der Wahl denn auch prompt 107 Jastimmen: ein gutes Drittel der Unionsfraktion scheint angetan von der Vorstellung, Frauenrechte auf den Stand des letzten Jahrhunderts zurückzustutzen. Die beiden Anträge von PDS/ LL und UFV/ Bündnis 90/ Grüne, die für die ersatzlose Streichung des 218 eintraten, ergatterten jeweils ganze 17 Jastimmen. Daß der Paragraph endlich auf den Müllberg der Geschichte gehört, sehen Bonns ParlamentarierInnen wohl anders. Und so ging es letztlich darum, mit der Neuregelung wenigstens für die Frauen der alten Bundesländer eine Art Fristenregelung gegen das von der Union bevorzugte Indikationsmodell durchzusetzen.