ZEITLOSER GREIS ALS US-BOTSCHAFTER IN IRLAND Von Ralf Sotscheck

William Fitz Gerald ist ein alter Freund des US-Präsidenten George Bush — im wahren Sinne des Wortes: Er ist 82, aber trotz des hohen Alters unermüdlich im Einsatz für die Wiederwahl seines Freundes. Das muß belohnt werden, dachte Bush und machte den Rentner zum US-Botschafter in Irland — ein idealer Ruhesitz für ausgebrannte Diplomaten. Fitz Geralds erste Frage war denn auch, ob seine feudale Residenz im Dubliner Phoenix Park einen Tennisplatz habe. Hat sie nicht. So will er sich die Zeit mit Golfspielen vertreiben. Außerdem ist es von Dublin nicht so weit nach Lourdes. Fitz Gerald, der sein Amt am Freitag antrat, fährt seit 1975 jedes Jahr mit seiner deutsch-tschechoslowakischen Frau Annelise in den französischen Wallfahrtsort, wo er ganze Rudel irischer Pilger kennenlernte. Er ist Mitglied verschiedener katholischer Orden sowie des vom Kardinal ernannten „Laienkabinetts“ in Washington, besitzt ein Autogramm vom Papst und ist strikt gegen Abtreibung. Da wird er sich in Irland wohlfühlen.

Fitz Gerald, dessen Ahnen um 1800 aus Irland in die USA emigriert waren, wurde 1909 in Boston geboren. Im selben Jahr wurde das erste irische Kino in Dublin eröffnet, und zum ersten Mal landete ein Flugzeug auf der Grünen Insel. Aber Fitz Gerald lebt nicht in der Vergangenheit— im Gegenteil. Als er am 3. Juni vom US-Senat zum Botschafter ernannt wurde, gab er seine fundierten Kenntnisse irischer Politik zum besten: „Irland hat die Maastrichter EG-Verträge am 18. Juni mit 65 Prozent der Stimmen angenommen.“ Der schüchterne Einwand eines Senators, man schreibe erst den 3. Juni, konnte ihn nicht beeindrucken: „Na und? Irland hat am 18. Juni die Maastrichter Verträge mit 65 Prozent der Stimmen angenommen“, beharrte der Greis auf seiner Zeitrechnung. Als ein zweiter Senator ihm unbarmherzig klarmachte, daß der Volksentscheid erst 15 Tage später stattfinden würde, ging Fitz Gerald ein Licht auf: „Ich danke für diesen Hinweis. Irland wird am 18. Juni die Maastrichter Verträge mit 65 Prozent der Stimmen annehmen.“ Ist der Mann etwa Hellseher?

Hätte er es wenigstens dabei bewenden lassen. Aber er mußte obendrein seinen Senf zur Situation in Nordirland geben. So erklärte er den staunenden SenatorInnen, daß er den Dialog zwischen Unionisten und Loyalisten als Schritt in Richtung Frieden begrüße. Nun sind beides protestantische Bewegungen, die sich nur durch Schattierungen unterscheiden und noch nie Probleme hatten, miteinander zu reden. Das hatte ihm in Lourdes offenbar niemand gesagt. Das geriatrische Geschwätz löste bei den irischen Emigrantenzeitungen in den USA einen Sturm der Empörung aus. „In derselben Woche, in der die Amerikaner herausfanden, daß ihr Vizepräsident das Wort ,Kartoffel' nicht buchstabieren kann, mußten die irischstämmigen Amerikaner erfahren, daß ihr neuer Botschafter in Irland weder weiß, in welcher Zeit er lebt, noch den Unterschied zwischen Unionisten, Loyalisten und Nationalisten kennt“, schrieb die 'Irish Voice‘. „Die US- Iren sind dadurch zum Gespött Irlands geworden.“ Die Zeitung forderte den Rücktritt des frischgebackenen Botschafters, um „weitere Blamagen zu verhindern“. Das ist freilich übertrieben: Was geht es Fitz Gerald an, welches Datum der Kalender anzeigt oder was die NordirInnen treiben? Schließlich will er ja nur Golf spielen.