Vorbei die Zeit der Nischen

■ Wider das simplifizierende Lamento über die Ostmieten-Erhöhung

Vorbei die Zeit der Nischen Wider das simplifizierende Lamento über die Ostmieten-Erhöhung

Der Kompromiß um die Ost-Mieten ist bestenfalls bescheiden zu nennen. 2,80 Mark mehr für den Quadratmeter Wohnfläche wollte die Bundesregierung den Mietern abknöpfen. Auf 2,40 Mark mehr pro Quadratmeter ab 1993 und gar auf drei Mark pro Quadratmeter Mieterhöhung ab 1994 einigte man sich — unterm Strich bleibt die Belastung für den Mieter in etwa die gleiche wie vom Bund gewollt. Der Kompromiß liegt eher im Detail. So sind die Anteile an der kommenden Mietenerhöhung, die an eine Instandsetzung oder Modernisierung gekoppelt sind, nun höher, als die Ministerin das vorsah. Das ist zwar sinnvoll, um die Häuser zu sanieren. Jedoch wird auf diese Weise der umstrittene Instandsetzungszuschlag — den es bekanntlich im Westen nicht gibt — durch die Hintertür wieder eingeführt. Deshalb muß der Staat große Teile der Instandsetzung finanzieren — was in Westdeutschland in den letzten Jahrzehnten ja auch geschehen ist. Zudem muß der Bund die Altschulden streichen, die auf den Ost-Häusern lasten— nur so werden die Wohnungen zu Sozialwohnungen westlichen Rechts.

Daß die Ost-Mieten aber trotz alledem in schmerzhafte Höhen steigen werden, dürfte kaum zu verhindern sein. Denn bisher können damit noch nicht einmal die tatsächlichen Kosten bezahlt werden. Die Mieter in den neuen Ländern bekommen nun nachträglich die Rechnung für 40 Jahre mietfreies Wohnen präsentiert. Daß mit der Mieterhöhung Ungerechtigkeiten verbunden sind, Arbeitslose genauso belastet werden wie Besserverdienende, ist in einer kapitalistischen Wohnungswirtschaft zwangsläufig der Fall. Der brandenburgische Vorschlag, Besserverdienenden höhere Mieten abzuknöpfen, wäre zwar in der DDR machbar gewesen, ist in einer Marktwirtschaft kontraproduktiv. Denn dann wird nur noch an Besserverdienende vermietet.

Wer die Marktwirtschaft wollte, kann nicht nachträglich Nischen fordern, die nicht für alle gelten. Sicherlich wäre es ein lohnendes politisches Ziel, für ein Mietensystem zu kämpfen, das bezahlbaren Wohnraum für alle garantiert und Familien und sozial Schwache nicht benachteiligt. Dies durchzusetzen ist jedoch nur für die gesamte Bundesrepublik möglich. Denn auch im Westen gibt es genug Arbeitslose, Rentnerinnen oder alleinstehende Mütter, die von gar keiner Mietpreisbindung mehr geschützt werden — und genug Hausbesitzer, die sich eine goldene Nase an überhöhten Mieten verdienen. Nur eine Politik, die auch im Westen die Mietenschraube stoppt, wird auf Akzeptanz stoßen, wenn sie von Westdeutschen Sonderopfer für die Instandsetzung von Ost-Häusern fordert. Eva Schweitzer