Säbel, Samson, Sensationen

■ Todesräder rotieren, Menschenköpfe verschwinden in Elefantenschlünden...

Mann

schwarzhaarig

Alfons Willeam

Zirkusdirektoren sind in feinen Zwirn gekleidete, distinguierte ältere Herren, die das Zirkusleben schon mit der Muttermilch eingesogen haben. Letzteres trifft auch auf Alfons Willeam zu, dessen Truppe ab morgen für knapp zwei Wochen auf der Bürgerweide gastiert. Aber sonst: Da sitzt er vor seinem Wohntruck mit Sägespänen im Haar, in Jeans und einem weißem T-Shirt, an dem Clementine aus der Waschmittelwerbung ihre helle Freude haben würde.

Gerade wird das Zelt aufgebaut; die Artisten, die alle beim Aufbau mit anpacken, schwitzen in der Sonne. „Mein Mann ist ein Arbeitstier“, lacht Frau Willeam im Vorbeigehen, „der Frack wird erst für die Vorstellung ausgepackt.“ Doch wenn Alfons Willeam erzählt von rotierenden Todesrädern und lebensgefährlichen Säbelbalancen und Samson, der die zehn stärksten Männer Bremens wie lästige Fliegen von seinen Armen abschütteln wird, von „Star-Attraktionen und Sensationen“, dann klingt es ein bißchen durch, das Herrr-einspaziert, herrr-einspaziert, erleben Sie, was Sie nie für möglich gehalten hätten...

Die Elefanten will er fürs Foto vorführen, der Chef. Hinten im Tieflader rumpelts und pumpelts, ein mark- und beinerschütterndes Trompeten dröhnt über die Bürgerweide. Karla, die 30jährige indische Elefantendame, testet mit einem Zeh vorsichtig den Bremer Boden, bevor sie ihre 80 Zentner aus dem LKW wälzt. Wußten Sie, daß Elefanten wie Löwen brummen können? Sie können, und da geht frau den grauen Fleischmassen denn doch lieber aus dem Weg.

Vor 20 Jahren ist Willeam vom Trapez gestürzt: „Sowas passiert, wenn man sich zu sicher fühlt.“ Damals ist er auf den Boden zurückgekehrt und dressiert seitdem Pferde und Elefanten — „wie die meisten Zirkusdirektoren“.

Wußten Sie, daß Elefantenbrummen können wie richtige Löwen?

Elefanten sind eben Chefsache. Aber auf ein weiteres Mitglied des Clans hören Karla und ihre beiden kleineren Gefährtinnen auch noch — Sohnemann Tibor läßt zum Beweis gleich seinen gesamten Kopf im Elefantenschlund verschwinden.

Die sechste Generation der Willeams mischt also schon fleißig mit — auch der 5 jährige Alfons junior, der sich neckisch hinterm Stuhl versteckt. Wenn für die Nachmittagsvorstellungen der Vorhang aufgeht, wird er zu „Tattoo, dem Clown“. Vormittags steht ihm demnächst das Büffeln in der fahrbaren „Circus- Schule“ bevor. Und eines Tages zieht es ihn vielleicht zu Kameldressuren hin — üben könnte er mit dem Kamelbaby, das vorgestern abend in Bremen das Licht der Welt erblickte und jetzt noch auf ellenlangen, wackligen Beinen und mit baumelnder Nabelschnur staunend das hektische Zirkustreiben um sich herum beäugt — seine erste Premiere wird es morgen abend erleben. Wenn auch nur von draußen — vorerst. skai