Das kann tödlich sein für ein Museum

■ Jörn Christiansen, Chef des Focke-Museums, über 100 Jahre elektrifiziertes Bremen und andererseits das Gezerre um sein Haus

Vor einem Jahr hat man ihn nach Bremen gelockt mit dem Versprechen, das Focke-Museum werde aber sowas von ausgebaut. Seitdem wartet Jörn Christiansen. Bloß sind nunmehr, wo es ans Zahlen ginge, alle ganz still geworden. Ersatzweise hat die Kulturbehörde jetzt die alte Debatte entfackelt, ob das Museum nicht ohnehin in die Innenstadt gehöre. Der Standort Langenstraße, aus dem die Post sich ganz zurückziehen will, aber auch wiederum nicht vor 1995, ist munter im Gespräch. „Wir prüfen die Möglichkeit, das Focke-Museum da unterzubringen“, sagte auf Nachfrage Kulturstaatsrat Schwandner. Die taz fragte bei Christiansen nach.

taz: Man knetet mal wieder an Ihrem Museum rum. Freut Sie das?

Jörn Christiansen: Das kann tödlich sein für ein Haus, wenn jeder immer wieder aufs Neue die Standort-Frage aufwirft. Es gibt ja auch Strategen, die das bewußt tun: das Projekt so lange unglaubwürdig machen, bis niemand mehr dran interessiert ist. Und natürlich verzögert man derart auch fällige Entscheidungen.

Würden Sie in die Langenstraße gehen? Wenigstens ein Spielbein reinsetzen?

Das ist ein guter Standort. Aber hier in Schwachhausen haben wir auch einen guten Standort, und einen keineswegs abgelegenen: Es sind ganze dreikommasonstwas Kilometer bis zur Innenstadt. Daß wir hier bleiben, ist Beschluß, und der Sieger im Architekturwettbewerb hat den Auftrag erhalten, weiterzuplanen: für hier. Und zum Spielbein: Wenn reichlich Geld da wäre, könnte man Dependancen aufmachen, wo immer man Lust hat. Bei leeren Kassen aber ist schon das Gerede darüber fatal. In dieser Lage halte ich überhaupt diese ständigen Neugründungen für verfehlt.

Zum Beispiel?

Langenstraße sowieso. Dann neuerdings die Ostertorwache mit der Wagenfeld-Stiftung: schon wieder ein eigenes Institut mit eigener Infrastruktur. Ich hatte vorgeschlagen, die Stiftung hier auf dem Gelände des Focke-Museums unterzubringen, als assoziiertes Institut. Hier gehört es thematisch her, hier könnten wir es in seinen kulturgeschichtlichen Kontext einbetten; in der Ostertorwache bleibt das ein Ding für sich, und die Stiftung ist ohnehin eine von Wirtschaftsleuten.

Nun ist ja plötzlich das Geld für eine Erweiterung Ihres Hauses sehr knapp geworden. Was machen Sie denn, wenn's mal gar keins mehr gibt?

Ich gehe davon aus, daß Zusagen eingehalten werden.

Und wenn es jenseits allen Geredes doch eine realistische Zukunft in der Langenstraße geben sollte?

Dann müßte die Entscheidung sofort fallen. Davon ist aber nicht eben auszugehen.

Ihr Architekt ist gerade dabei, seinen Entwurf für den alten Standort auf eine billigere Lösung herunterzurechnen. Was wird das mindestens kosten?

Kann ich noch nicht sagen. Ich setze allerdings voraus, daß auch am Ende noch ein komplettes Museum rauskommt, keine Bausteinchenlösung: Wir brauchen Werkstätten, Magazine und mehr Fläche für Wechselausstellungen und Schausammlung. Wie weit wir mit einer reduzierten Lösung unter die 100 Millionen kommen, die der erste Entwurf gekostet hätte, wird sich zeigen.

Wie kommen Sie im Hause mit Ihrem Neuanfang voran?

Gut. Der erste Zugriff auf die Schausammlung ist in Arbeit: das Haus Mittelsbüren wird umgestaltet. Sie wissen: Das Haus wurde, zusammen mit dem ganzen Dorf, in den Fünfzigern niedergelegt, als sich Klöckner dort ansiedelte. Ein einmaliger Fall. Das wollen wir erzählen. Die Rolle des Hauses im Dorf, die Sozialgeschichte des Arbeitens, des bäuerlichen Lebens dort. Das wollen wir sehr genau machen; wir haben auch schon allerlei gefunden auf alten Dachböden in dieser Gegend, zum Beispiel einen alten Fischkasten, ein Boot mit Löchern kurioserweise; das sank bis dicht unter die Wasserlinie und diente zum Lebendtransport des Fangs. Im März nächsten Jahres ist Eröffnung dieser neuen Dauerausstellung, die im übrigen auch die Geschichte des Hauses auf dem Museumsgelände erzählen soll. Da ist es ja quasi rückgebaut worden in einen idealisierten „Urzustand“.

Was haben Sie sonst noch vor?

Gleich danach eine Hoetger-Ausstellung, ausgehend von unserem Majoliken-Zyklus „Licht und Schatten“. Das sind 15 Figuren, die uns Gelegenheit geben, ein Stück bremische Kulturgeschichte zu behandeln, einschließlich der Biographie von Hoetger. Dann wird's eine große Ausstellung geben über die Elektrifizierung Bremens, zusammen mit den Stadtwerke. Deren Jubliläum ist zugleich der Anlaß: am 1. Oktober 93 gibt es „Hundert Jahre öffentliche Stromversorgung in Bremen“ zu feiern.

So alt sind unsre guten alten Stadtwerke schon?

Ja. Und souverän genug für die Ambivalenz des Themas. Wir werden die Euphorie über die neue, saubere Energie ebenso behandeln wie dann den kritischen Umschlag. Es geht ja nicht nur um die reine Technikgeschichte, sondern etwa auch um die Vernetzung privater Haushalte mit den Versorgungsunternehmen, um die Veränderung unseres Verhaltens, unseres Lebensrhythmus im künstlichen Licht.

Und wo haben Sie Platz dafür?

Den schaffen wir, erst mal provisorisch: In den Eichenhof, der als Gaststätte sehr problematisch war, kommt bis zum Umbau die Abteilung Archäologie hin; im freigewordenen Raum plus zusätzlich freigeräumter Fläche, insgesamt an die 600 Quadratmeter, können wir solche Wechselausstellungen machen. Als nächste streben wir eine mit dem Bremer Vulkan zusammen an: zur Werftengeschichte.

Und die Dauerausstellung? Sie wollten ja eigentlich keine Vitrine mehr auf der andern lassen.

Naja, es gibt genügend Leute, die wollen, daß alles bleibt, wie's immer schon war. Die Ergebnisse unsrer Wechselausstellungen werden wir natürlich in die Schausammlung einspielen. Und wir werden schon mal einzelne Objektgruppen, obwohl wir noch immer keinen Computer dafür haben, besser dokumentieren...

Damit uns außer dem des Herumgehens auch das Vergnügen der Erkenntnis zuteil werde?

Ja, die Exponate waren ja hier in einem teils sehr wirren Zustand. Außerdem überlegen wir, wie wir bestimmte Sachen inszenieren könnten, zum Beispiel die Kurfürstenfiguren von der Rathausfassade. Die könnten, zusammen mit einem alten Modell vom Rathaus, welches gerade restauriert wird, das vernachlässigte Thema Rathaus miterschließen, als Gebäude und als Ort des politischen Geschehens, Aber ein richtig neues Konzept macht erst Sinn, wenn's auch stehenbleiben kann, das heißt: nach der Erweiterung. Interview: Manfred Dworschak