Drogenpark im Ostertor

■ Neue Junkieszene auf dem Spielplatz / Anwohner kurz vor dem Siedepunkt

Die Junkieszene im Ostertor hat einen neuen Treffpunkt. Am Körnerwall und auf dem Spielplatz hinter der Kinderschule hat sich in der vergangenen Woche ein öffentlicher Druckraum entwickelt. Dort trifft sich die Szene nachdem Anfang letzter Woche der Hinterhof des Eckhauses Schildstraße/ Ostertorsteinweg mit einem Überkletterungsschutz versehen worden war. Die Anwohner des neuen Treffpunkts sind schon jetzt am Ende ihrer Geduld. Doch bis zum Ende der Sommerferien ist kaum eine Veränderung zu erwarten.

Der Hinterhof in der Schildstraße war über Monate der mehr oder weniger geduldete „Druckraum“ für die Szene. Dort übernachteten Abhängige, dorthin konnte man gehen, um Geschäfte abzuwickeln oder um sich den nächste Schuß zu setzen. Der Hof sollte eigentlich Parkplatz für das behindertengerecht umgebaute Haus am Ostertorsteinweg sein. Doch das für Rollstuhlfahrer eingebaute elektrische Rolltor funktionierte nur sporadisch. „Mehrmals pro Woche mußte das Tor repariert werden“, erzählt Dieter Cordes, Prokurist der Bremischen Wohnungsbaugesellschaft, immer wieder wurde das Schloß aufgebrochen, immer wieder kamen Leute vom Sielwalleck und überstiegen den Zaun. Cordes: „Für die Nutzer des Parkplatzes war das sehr unangenehm, ständig wurde da gedealt und gefixt und da lag bergeweise der Müll.“ Einige Male hatte die Handwerker unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen, weil sie von Junkies bedroht worden waren.

Mit der Schließung des Parkplatzes verlagerte sich die Szene einige Häuser weiter und besetzt jetzt vor allem den Ostertorpark zwischen Schild- und Weberstraße. Der Park war vor einigen Jahren auf Initiative der Anwohner entstanden. Schon lange gab es Klagen darüber, daß das kleine Grüngelände mit seinem Spielplatz vor allem von Junkies bevölkert sei. Doch die Situation hat sich inzwischen völlig verändert. Selbst der zuständige Gärtner hat seine Geräte inzwischen hingeschmissen. „Der ist gekommen und hat gesagt 'ich kapituliere, da liegen 56 Junkies'“, erzählt Bernd Scheda vom Lagerhaus Schildstraße.

Gestern mittag waren es zwischen 40 und 50 Menschen, die auf der Wiese lagen oder in der Sandkiste vor sich hindösten. Immer wieder stand einer auf, um im benachbarten Laden des „AK Drogen“ Spritzen zu tauschen oder einen Kaffee zu trinken. Oder es stand der Gang zum Sielwalleck an, um neuen Stoff zu besorgen. Der Platz ist übersät mit Spritzenpäckchen, Flaschen, Dosen, Müll.

„Das hält keiner mehr aus“, sagt Barbara Spürkel, deren Haus direkt an den Park grenzt über die Stimmung unter den AnwohnerInnen, „man steigt nur noch über Müll und fertige Leute.“ Viele Junkies nutzten die umliegenden Gärten als ungestörte Plätze zum Fixen. „Überall wohnen hier kleine Kinder. Wir können die nie mehr alleine laufen lassen“, klagt Spürkel.

„Die Anwohner sind voll auf Schaum“, erzählt auch Bernd Scheda vom Lagerhaus. Drei AnwohnerInnen hätten ihre Häuser bereits verkauft, zwei weitere überlegten noch. Niemand könne die Situation mehr aushalten. „Es ist auch schon vorgekommen, daß die Leute die Scheiben eingeschmissen bekommen haben, wenn sie die Junkies angemacht haben.“ Die Szene sei sehr aggressiv. Scheda: „Ich gehe davon aus, daß es nicht mehr lange dauern wird, dann kommen die Anwohner mit dem Knüppel.“

Auch die MitarbeiterInnen des Reiseladens am Körnerwall sind sich einig, daß schnell etwas passieren muß. „Seit den Polizeiaktionen an der Sielwallkreuzung ist der Körnerwall nicht nur Druckraum. Es wird hier öffentlich gedealt, Autos werden geknackt, es wird seelenruhig eingebrochen und die Ware gleich weiterverkauft. Und nachts ist hier Freiluftpuff und Schlafstätte, Wie im Kino“, erzählt eine Mitarbeiterin. Ihr Kollege Dieter Büsing ist stinksauer auf die Politik: „Darum kümmert sich doch keine Sau, aber irgendwann platzt der Knoten. Und dann gehts wirklich los, dann wird hier einer abgeknallt.“

„Den Park kann man wohl erstmal vergessen“, meinen auch Tina, Singe und Pali vom AK Drogen in der Weberstraße. Bei ihnen ist ständig Betrieb, seit die Szene fast vor der Haustüre lagert. Sie haben nur wenig Hoffnung, daß sich die Situation schnell ändern ließe. Die Szene werde immer nur verschoben und die Sozialpolitik werde immer stärker zur Sache der Polizei. „Dabei sind die Vorschläge zur Dezentralisierung im Drogenhilfeplan festgeschrieben. Es passiert nur überhaupt nichts“, so eine von ihnen.

„Wenn sich die Szene verlagert, geht die Polizei mit“, sagt Merve Pagenhardt, Sprecherin des Innensenators. Dort wußte man allerdings von der neuerlichen Verlagerung noch nichts. Jochen Grabler