„Bereichert Euch!“

■ Der profilierte Kritiker Hans Herbert von Arnim zur Malaise der Parteienfinanzierung

In seinem Urteil vom 9.4.1992 hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichtes zwar erhebliche Teile der Parteienfinanzierung aus unterschiedlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt. Doch mancher frohlockte zu früh. Die Karlsruher Richter verstopften nicht nur einige dubiose Geldquellen, sondern würdigten auch die unentbehrliche Rolle der Parteien „für die demokratische Staatsordnung“. Und erklärten in ausdrücklicher Abänderung ihrer Rechtsprechung sogar deren allgemeine Finanzierung (über die Wahlkampfkosten hinaus) für zulässig.

Die Parteienfinanzierung wird also, dazu gehört keine Prophetie, ein politischer Dauerbrenner bleiben. Allen Staats-, Partei- und Politikverdrossenen, Anfängern wie Fortgeschrittenen, sei daher ein kompetent aufbereiteter und gut geschriebener Wegweiser durch den Dschungel der staatlichen Parteienfinanzierung zum Lesen empfohlen: auf daß jenes Unbehagen über den Parteienstaat (das mittlerweile, wie man hört, auch im Bundespräsidialamt angekommen ist), sich zum informierten Zorn emanzipiert.

Wer seine politischen Interessen organisiert durchsetzen will, tut dies nicht nur auf eigenes Risiko, sondern auch auf eigene Rechnung. Dieser ebenso simple wie einleuchtende Gedanke war den Vätern (und wenigen Müttern) des Bonner Grundgesetzes hinreichend vertraut. Das regelungsbedürftige Problem der Eigenfinanzierung der Parteien sahen sie darin, daß privates Kapital über anonyme Großspenden schwer kalkulierbaren politischen Einfluß gewinnen könnte. Sie verpflichteten daher die Parteien in Artikel 21 über Herkunft und Verwendung ihrer Finanzen öffentiche Rechenschaft abzulegen.

Seitdem ist viel Wasser den Rhein hinunter und noch mehr Geld in die Kassen der politischen Parteien geflossen. Diese werden heute — alles in allem — zu etwa 60 Prozent vom Staat ausgehalten. Von Arnim, luzider Kenner der Materie und seit Jahren profilierter Kritiker der bundesdeutschen Parteienfinanzierng hat eine neue einschlägige Studie vorgelegt. Gleich eingangs weiß er von geradezu aufreizenden Wachstumsraten zu berichten: So hat sich die direkte und indirekte staatliche Finanzierung der bundesdeutschen Parteien in den letzten zwei Jahrzehnten pro Wahlperiode auf über vier Milliarden Mark mehr als verneunfacht — ein Weltrekord. Hierzu zählt im übrigen auch die Finanzierung der Fraktionen und Stiftungen, eine vom Autor beleuchtete Grauzone.

Den „Geburtsfehler“ der bundesdeutschen Parteienfinanzierung sieht von Arnim in der durch das Verfassungsgericht für zulässig erachteten und im Parteiengesetz von 1967 erstmals ausdrücklich geregelten Wahlkampfkostenpauschale. Diese reguliert nicht die tatsächlichen Kosten, ist unabhängig von der Wahlbeteiligung und wurde von den schon seinerzeit recht einträglichen 2,50 DM auf mittlerweile 5 DM erhöht. Gerade weil man sich hierzulande an allzu viele Phänomene der Parteienfinanzierung trägen Herzens gewöhnt hat und nur hier und da Selbstbedienungsexzesse zu beklagen weiß, wirkt von Arnims Studie als nützliches Gegengift. Die staatliche Alimentierung von organisierter Politik ist keineswegs eine unverzichtbare Voraussetzung des massendemokratischen Parteienstaates, wie das Beispiel der Schweiz belegt. Dort ist bis zum heutigen Tage nicht einmal die steuerliche Absetzbarkeit von Parteispenden mehrheitsfähig.

Wie die „Kontrolle der Kontrolleure“ zu bewerkstelligen ist, steht im Mittelpunkt der Überlegungen von Arnims. Denn darin, daß die Parlamentsparteien als Gesetzgeber in eigener Sache entscheiden, sieht er einen „Konstruktionsfehler der Verfassung, der auch durch ein Verfassungsgericht nicht zu heilen ist. Eingedenk der realistischen Annahme, daß dieser Systemfehler zur Selbstbedienung gerade einlädt, entwickelt von Arnim „Mindestanforderungen“ für das parlamentarische Procedere. Diese sind mit den öffentlichen Stichworten rigide Gesetzesform, Öffentlichkeit und Argumentationslast skizziert. In Zeiten einer sensibilisierten Öffentlichkeit, da sich die Parteienfinanziers zunehmend des guten Rats lancierter Experten bedienen, erweist sich die Warnung des Autors vor der „Instrumentalisierung von Sachverständigen-Kommissionen“ als hochaktuell. Es bleibt abzuwarten, was die jüngst von den arg bedrängten Bonner Parteispitzen ersonnene „Diätenkommission“ ausrichten kann, der auch von Arnim angehört.

Wer mit ihm zweifelt, ob systemimmanente Reformen den Finanzhunger der Parteien wirksam dämpfen können, wird ihm darin folgen, daß eine Begrenzung der Staatsfinanzierung per Verfassungsänderung vonnöten ist — zum Beispiel durch Einfrieren auf dem gegenwärtigen Niveau. Ungleich wirksamer wäre freilich die „Einführung direkt-demokratischer Elemente auf Bundesebene“, wie der Autor betont. Schon die bloße Möglichkeit von Volksentscheiden vermag die Begehrlichkeit der Parteien zu zügeln, was wiederum die eidgenössischen Erfahrungen belegen.

Von Arnim, gewiß kein Radikaler im Professorenamt, findet starke Worte, wenn er die aktuelle Lage resümiert. Daß indes die Etablierten „wie eine ,Einheitspartei‘“ seit langem konkurrenzausschaltende „Blockbildungen in Sachen Politikfinanzierung“ betreiben, die partiell an die Praktiken der verflossenen Eiheitsparteien kommunistischer Provenienz erinnern, ist nicht von der Hand zu weisen. Es sieht aber ganz danach aus, als wolle das „Kartell der Etablierten“ zur gesamtdeutschen Tagesordnung in einer Disziplin übergehen, deren Motto seit jeher lautet: „Bereichert Euch!“ Horst Meier

Hans Herbert von Arnim: Die Partei, der Abgeordnete und das Geld. Von Hase & Koehler, Mainz 1991, 397Seiten, kartoniert, 19,80DM.