: Rassistisch motivierte Tötung vor Gericht
Prozeß wegen Tötung eines Angolaners beginnt in Frankfurt/Oder/ Skins und Heavy-Metals wollten „Neger aufklatschen“ ■ Von Bernd Siegler
Nürnberg/Eberswalde (taz) — Zum ersten Mal wird in den fünf neuen Bundesländern der Versuch unternommen, den Tod eines Ausländers nach einem rassistisch motivierten Überfall gerichtlich aufzuarbeiten. Ab 1. Juli müssen sich fünf Heranwachsende und ein Jugendlicher aus der Skinhead- und Heavy- Metal-Szene aus Eberswalde und Schwedt vor der Jugendstrafkammer des Bezirksgerichts Frankfurt/Oder wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und besonders schwerem Landfriedensbruch verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, den Angolaner Amadeu Antonio in der Nacht vom 24. auf den 25. November 1990 in Eberswalde überfallen, getreten und geprügelt zu haben. Der 28jährige starb am 6. Dezember 1990, ohne zuvor das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Mit dieser Tat gelangte die 60 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegene Kleinstadt zu trauriger Berühmtheit: es war das erste Mal in den neuen Ländern, daß ein Ausländer zu Tode geprügelt worden war.
Daß zwischen Gewalteinwirkung und dem Todeseintritt ein „ursächlicher Zusammenhang“ besteht, daran ließen die Gerichtsmediziner keinerlei Zweifel. Auch die Anklageschrift läßt an diesem Punkt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Demnach haben sich am Abend des 24. November 1990 Skinheads aus dem 70 Kilometer entfernten Gartz an der deutsch-polnischen Grenze mit gleichgesinnten „Kameraden“ aus Eberswalde zunächst in der Wohnung des stadtbekannten Neonazis Tristan Dewitz getroffen. Später in der Diskothek „Rockbahnhof“ schloß sich ihnen eine Gruppe von Heavy-Metals an. Kurz vor Mitternacht beschlossen sie, im nahen „Hüttengasthof“ noch „Neger aufzuklatschen“. Mit Messern, Schreckschußpistolen und Beseballschlägern zogen sie los. Die inzwischen alarmierte Polizei folgte im Sicherheitsabstand.
Zusammen mit anderen Schwarzen lief Amadeu dem Schlägertrupp direkt in die Arme. Der Angolaner wurde, so das Ermittlungsergebnis, von mindestens sechs 17- bis 20-jährigen malträtiert. Diese kreisten ihn ein, schlugen mit Zaunlatten und Baseballschlägern gezielt auf ihn und sprangen auf seinen Kopf. Drei Zivilbeamte sahen dem Geschehen zu, ohne einzuschreiten. Als Haupttäter hat die Staatsanwaltschaft die Gebrüder Sven (20) und Kay-Nando Böcker (21) aus Gartz ausgemacht. Kay- Nando war schon im Dezember 1989 vom Kreisgericht Angermünde wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Sein Bruder Sven hatte am 1. Dezember letzten Jahres einem 30jährigen Deutschen mit seinem Baseballschläger tödliche Verletzungen zugefügt. Beide machen aus ihrer Einstellung keinen Hehl, daß sie Ausländer hassen, und bekennen sich den „Faschos“ zugehörig.
Auch nach dem Tod des Angolaners nahmen die Übergriffe auf die in Eberswalde noch verbliebenen Schwarzen und deren deutsche Freundinnen kein Ende. Die Berliner „Antirassistische Initiative“ will über einen Rechtsanwalt die Nebenklage in dem Prozeß vertreten. Der Prozeß ist vorläufig auf acht Verhandlungstage angesetzt (Beginn 1. Juli, 13 Uhr).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen