Trauer um die Opfer von Boipatong

Zehntausend Menschen kamen zur Beisetzungszeremonie für die Opfer des Massakers von Boipatong/ Der Kampf gegen das Apartheid-Regime wird mit Massenaktionen fortgesetzt  ■ Aus Boipatong Hans Brandt

„Settler!“ raunen die einen, als der weiße Journalist vorbeiläuft. „Bullet!“ flüstern die anderen. Die Atmosphäre in Boipatong ist gespannt, die Wut gegen die Regierung kaum unterdrückt. Zwar ist das Motto des militanten Panafrikanistischen Kongress (PAC), „Jedem Siedler eine Kugel“ besonders rabiat, doch unter den Zehntausenden, die der Trauerfeier für die Opfer des nächtlichen Massakers vom 17. Juni beiwohnen, ist Mißtrauen gegenüber Weißen zu spüren. Jay Naidoo, Generalsekretär der Gewerkschaftsföderation bringt die Stimmung auf den Punkt: „Wir sind nicht eure Küchenmädchen, eure Gartenjungen“, ruft er den Weißen zu. „Wir sind Menschen.“ Die Menge applaudiert. Das kleine Stadion von Boipatong ist total überfüllt, die Menschen drängen nach vorne, bis die 37 aufgebahrten Särge fast umstürzen. Einige Leute sind auf die Diplomatenlimousinen geklettert, andere klammern sich an den Stacheldraht auf der Grenzmauer hinter dem Podium. Chris Hani, Generalsekretär der südafrikanischen KP und einer der beliebtesten militanten Oppositionsführer, muß sich von Bodyguards den Weg ans Mikrofon bahnen lassen.

„Diese Leute sind Märtyrer, deren Leben durch das Monstrum der Apartheid frühzeitig beendet wurde“, würdigt Hani die 42 Opfer. Er spricht von der langen Geschichte der Unterdrückung in Südafrika, den Hunderten von Opfern, den wiederholten Massakern. „Es ist Präsident Frederik de Klerk nicht fremd, weiße Vorherrschaft durch die eiserne Faust zu erzwingen“, sagt Hani. Durch Demonstrationen und Massenaktionen würden die Menschen das Regime stürzen. „Wir werden bis zum Ende kämpfen für Unabhängigkeit, Freiheit und Demokratie. Wir werden de Klerk besiegen.“

„Wir werden die Mordpolitik der Regierung nicht mehr tolerieren“, sagt auch Cyril Ramaphosa, Generalsekretär des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Dabei wird die Protestkampagne des ANC vermutlich Differenzen mit anderen Oppositonsgruppen überwinden helfen. Das wird schon durch die Anwesenheit der PAC-Leute demonstriert. Der PAC hat Verhandlungen mit der Regierung immer als Verrat abgelehnt und sieht seine Politik durch die jüngsten Ereignisse bestätigt.

Für Ramaphosa liegt die Enttäuschung des ANC über den Verhandlungsprozeß auf der Hand. „Als de Klerk das Verbot des ANC aufhob, hofften wir, daß das Morden, die Gewalt ein Ende haben würden.“ Aber die Regierung habe positive Maßnahmen offenbar nur ergriffen, um den ANC in den Verhandlungsprozeß zu locken. „Die Hunde des Krieges wurden auf unsere Leute in den Townships losgelassen“, sagt Ramaphosa.

Der ANC-Führer behauptet, daß de Klerk in einem privaten Gespräch mit Mandela zugegeben habe, er könne die Sicherheitskräfte nicht kontrollieren. Ramaphosas Fazit: „Er ist nicht geeignet, Staatspräsident zu sein.“ Die Regierung de Klerks weigere sich, Demokratie in Südafrika zuzulassen. „Wir wollen den Verhandlungsprozeß bis zu seinem logischen Ende führen“, betont Ramaphosa. „Aber wir können nicht weitermachen, während unsere Leute wie Fliegen sterben.“

Besonders scharf kritisieren alle Redner die Bewohner des benachbarten Wohnheimes — Wanderarbeiter, Anhänger der Zulupartei Inkatha, die auch nach Erkenntnissen der Polizei für das Massaker verantwortlich sind. Das Tragen von Speeren, Stöcken und anderen sogenannten traditionellen Waffen müsse grundsätzlich verboten werden, fordert Ramaphosa. Aber vor dem Stadion tanzen auch ANC-Anhänger ihre Kriegstänze. In den Händen Speere, Stöcke, Äxte. Einer trägt ein selbstgemachtes Gewehr.

Über dem Stadion kreist ein Polizeihubschrauber, Panzerwagen der Polizei beobachteten die Versammlung aus einiger Entfernung.

Die Opfer des Boipatong-Massakers sollten noch am Montag nachmittag nach der Zeremonie im benachbarten Sharpeville begraben werden, ganz in der Nähe der 69 Opfer des Massakers von Sharpeville 1960.

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