Die Entdecker der Langsamkeit

■ Die zwei ältesten Bierkutscher Bremens verlassen Bier, Pferd und Wagen

Niemals Bier auf'm Bock! Nie!! In den ganzen 34 Jahren nicht, „sonst wär' ich ja sonstwie gefahren“, murmelt der Mann mit der roten Joppe und der braunen Lederschürze. Und erstmal in der engen Straße festgefahren, gäbe

In drei Jahrzehnten nur einmal falsch geparkt - und mit fünf Mark gebüßt

es kein Zurück. Pferdegespanne haben nun mal keinen Rückwärtsgang. Auch die Haake-Beck-Gespanne nicht, trotz integriertem Blinker und Rückspiegel. „Ist aber nie passiert“, und auch sonst nichts Spektakuläres, und jetzt wird ihnen auch nichts mehr passieren. Bierfässer und Bierkisten schleppen, hoch auf dem Kutschbock über Bremen thronen, Fotomodell für die TouristInnen spielen — das alles ist nun vorbei. Gerhard Schumm (60) und Karl- Heinz Meyer (57), die ältesten Bierkutscher Bremens, gehen in Pension.

Auf „du und du“ sind sie eigentlich mit der ganzen Innenstadt, da, wo sie 34 Jahre lang ihre Tour gefahren haben. Nö, die Autofahrer hätten sie eigentlich nur ganz selten auf den Mond gewünscht. Die waren immer friedlich. Und die Kinder wollten natürlich alle mal auf dem Rücken der kräftigen Oldenburger Rappwallache sitzen, und manche durften auch. Die Erwachsenen kriegten glänzende Augen, wenn ihnen die Bierkutsche entgegenkam, und so rumpelten Meyer und Schumm drei Jahrzehnte lang wie in einer Wolke von Nostalgie über das Bremer Pflaster.

Einmal, „an der Hohentorsheerstraße!“ weiß Schumm, da haben sie mal ein Knöllchen bekommen — wo auch immer die Politesse eine Windschutzscheibe zwecks Befestigung ausgemacht haben mag. „Und die fünf Mark, die mußten wir zahlen.“ Aber das ist schon so 30 Jahre her. Und einmal, da hat sich ein Pferd, gerade neu in den Haake-Beck-Stall gekommen, aus seinem kompletten Geschirr geschält und stand quasi nackt auf der Straße. Doch statt mit der neugewonnen Freiheit vernünftige Dinge anzufangen und — hui — aufs Land hinauszugaloppieren, hatte es nichts anderes im Sinn, als sein Maul in dem hinten am Wagen angebundenen Futtersack verschwinden zu lassen.

Und einmal... aber ach, die schönsten Geschichten passierten doch jeden Tag, winkt Meyer ab. Jeden Tag vom Hof gefahren, unter freiem Himmel, bei Wind und Wetter unterwegs...

Aber jetzt ist der Rücken hinüber — das ewige Schleppen. Und im Ruhestand können die beiden Bierkutscher da weitermachen, wo sie aufgehört haben: Bei ihrer ganz persönlichen Entdeckung der Langsamkeit. skai