Abgeordnete wollen trotz Stasi-Verdachts bleiben

■ Stasi-Überprüfung: Ehrenrat empfiehlt den Abgeordneten Czollek und Girnus, ihr Mandat niederzulegen/ Beide wollen bleiben/ Mleczkowski, Niedergesäß, Schiela und Zippel entlastet/ Debatte geht nach der Sommerpause weiter

Berlin. Die mögliche Stasi-Verstrickung von Abgeordneten wird das Berliner Parlament auch noch nach der Sommerpause beschäftigen. Nach der Anhörung von dreizehn Abgeordneten hat der parlamentarische Ehrenrat am Montag abend nur für sechs Parlamentarier eindeutige Empfehlungen ausgesprochen. Dem fraktionslosen Michael Czollek und Wolfgang Girnus (PDS) empfahl das Gremium, ihre Mandate niederzulegen. Beide wollen dieser Aufforderung aber offenbar nicht nachkommen.

Obwohl die Empfehlung in Czolleks Fall einstimmig fiel, wird der Abgeordnete, wie er der taz sagte, »zum gegenwärtigen Zeitpunkt« sein Mandat nicht niederlegen. Die handschriftlichen Stasi-Berichte, die laut Gauck von ihm stammen, seien nicht authentisch. Girnus, der nach eigenen Angaben von 1975 bis 1983 Berichte für die Stasi-Auslandsaufklärung lieferte, wird nach wie vor von seiner Fraktion gestützt. PDS-Fraktionschefin Gesine Loetzsch votierte im Ehrenrat, wie sie gestern bestätigte, als einziges Ratsmitglied für das Verbleiben von Girnus im Parlament.

Einstimmig entlastet hat das Gremium die FDP-Parlamentarier Wolfgang Mleczkowski und Gerhard Schiela sowie Fritz Niedergesäß und Christian Zippel von der CDU. »Nach derzeitigem Kenntnisstand« sei für diese vier die Überprüfung »erledigt«, erklärte Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) im Namen des Ehrenrats, dem Vertreter aller Fraktionen angehören.

Schiela hatte nach eigenen Angaben im Alter von 19 Jahren ein vierstündiges Treffen mit Stasi-Mitarbeitern. Bei diesem von seinem Meister arrangierten Kontakt habe er auch einen »Zettel« unterschrieben, sagte der Abgeordnete zur taz. Danach habe die Stasi seine Mitarbeit nicht mehr gesucht. Zippel konnte sich dem Vernehmen nach auf die Erklärung eines Stasi-Führungsoffiziers berufen, er habe den heutigen Abgeordneten ohne dessen Wissen als Inoffiziellen Mitarbeiter geführt. Die Treffberichte der Stasi hätten Zippel ebenfalls entlastet, hieß es. Auch Mleczkowski und Niedergesäß hatten offensichtlich, wie bereits gestern berichtet, nur unverfängliche Stasi-Kontakte.

Im Fall des Steglitzer FDP-Abgeordneten Axel Kammholz, der in der Kartei des militärischen Nachrichtendienstes der DDR erfaßt worden war, will der Ehrenrat die Klärung den Behörden überlassen. Über die Abgeordneten Joachim Schmidt (SPD) und Dagmar Pohle (PDS) will das Gremium erst entscheiden, wenn es Akten und Mitarbeiter der Gauck- Behörde zu Rate gezogen hat. In der Sache des PDS-Abgeordneten Dieter Klein soll unmittelbar nach der Sommerpause der Untersuchungsausschuß einberufen werden, den das Parlament neben dem Ehrenrat eingesetzt hatte. Die Fälle von Bettina Pech (PDS), Norbert Pewestorff (PDS) und Reinhard Klein (FDP) — hier stimmte FDP-Fraktionschefin Carola von Braun als einzige für ein Ende der Überprüfung — sollen ebenfalls dem Ausschuß übergeben werden, wenn die Gauck-Akten »nicht zu eindeutigeren Ergebnissen verhelfen«. hmt