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NEUES AUS BURTENBACH: ZUM SEXCLUB ST. TROPEZ NUN EIN ASYLBEWERBERHEIM

Doppelmoral bestraft

Burtenbach (taz) — Burtenbach, die 2.200-Seelen-Gemeinde im bayerischen Schwaben, ist inzwischen in ganz Deutschland ein Begriff. Viel ist berichtet worden über die doppelte Moral der Burtenbacher. Zunächst hatten sie sich über das unmoralische Treiben im Pärchenclub St. Tropez aufgeregt und sich beim Bürgermeister beschwert. Daß in dem Luxus-Tempel am Ortsrand gutbetuchte Pärchen jedes Wochenende zum Partnertausch oder zur Straps-Party anreisten, war den moralischen Dorfbewohnern ein Dorn im Auge.

Mit der Moral war's allerdings schnell vorbei, als der Betreiber des Sexclubs, Eberhard H., die Nachbarn wissen ließ, daß er wohl nicht umhin komme, in dem Gebäude Asylbewerber unterzubringen, wenn ihm die Nutzung als Pärchenclub versagt bliebe. Nach den Beschwerden der Burtenbacher hatte nämlich das zuständige Landratsamt in Günzburg den Sündentempel aus baurechtichen Gründen geschlossen.

Prompt sammelten die Nachbarn des plötzlich wieder beliebten Pärchenclubs 45 Unterschriften für den Sündentempel. „Zehnmal lieber so was als Asylanten, die will doch keiner“, hieß es. Der Verein für Körperkultur und Freizeitgestaltung lud, trotz Verbot durch das Landratsamt, plötzlich wieder ein ins Clubhotel. Auch am vergangenen Wochenende fuhren die großen Limousinen aus Augsburg, München und Starnberg wieder in Burtenbach vor. Dies, obwohl das Landratsamt inzwischen die Bußgeldbescheide an den einstigen Edelpuffbesitzer Eberhard H. (=Hoß) von 1.000 über 5.000 auf 10.000 Mark hochgeschraubt hat.

Den Burtenbachern freilich hat ihre doppelte Moral nichts genützt. Wie uns von der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes in Günzburg bestätigt wurde, bekommt der Ort jetzt zum Sexclub auch noch ein Asylbewerberheim. Einige hundert Meter weg vom Clubhotel St.Tropez ziehen in den nächsten Tagen rund zwanzig Flüchtlinge aus Albanien, Rumänien und Bulgarien ein. Die ersten vier Asylbewerber sind schon in dem Gebäude an der Hauptstraße untergebracht.

„Seit wir Unterkünfte für Flüchtlinge suchen, haben wir erst zweimal eine so geeignete und günstige Unterbringungsmöglichkeit angeboten bekommen“, freut sich der Leiter der Sozialhilfeabteilung am Landratsamt, Roland Auerswald. Die Gemeinde hat erst von der Flüchtlingsunterkunft erfahren, als die Verträge schon unter Dach und Fach waren.

Das Grollen mancher Burtenbacher ist inzwischen unüberhörbar. Schließlich ist die Gemeinde im ganzen Landkreis Augsburg eine der ganz wenigen, die bislang kein Unterkunftsangebot unterbreitet haben. Der Bürgermeister von Burtenbach, Hans Rößner, ist alles andere als erfreut über die neue Entwicklung. Daß das Landratsamt ihn erst verständigt hatte, als der Vertrag mit den Besitzern des Hauses abgeschlossen war, begründet der Bürgermeister zähneknirschend mit folgendem Satz: „Das Landratsamt hat uns erst verständigt, als der Vertrag klar war, sonst hätte sich die Gemeinde wehren können.“

Proteste, so der Gemeindechef, der viel Verständnis für die Angst seiner Bürger vor Asylbewerbern hat, gibt es bislang kaum. Die ersten Asylbewerber, die in Burtenbach ja bereits eingetroffen sind, seien „recht ordentlich gekleidet“, sagt Hans Rößner. Und wenn die anderen auch so seien, dann dürfte es ja gar nicht so schlimm werden. „Freilich wäre es sinnvoller gewesen, wenn wir früher informiert worden wären, aber es war mir schon klar, daß sich das Landratsamt nicht dafür einsetzt, daß Burtenbach asylantenfrei bleibt.“

Ruft man unter der berüchtigten Telefonnummer 08285/418 an, dann hört man wieder die freundliche Männerstimme: „Hallo, hallo. Hier ist der Verein für Körperkultur und Freizeitgestaltung. Wir treffen uns am kommenden Samstag um 20 Uhr im Clubhotel St. Tropez in Burtenbach. Hier eine kurze Wegbeschreibung...“ Klaus Wittmann

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