INTERVIEW
: Ökobauer dank Brüsseler Spritzen

■ Überlebenshilfe für italienische Kleinbauern aus Regionalfonds/ EG-Gelder fördern Verknüpfung von ländlichem Tourismus und ökologischer Landwirtschaft

Sandro Salvadori ist Vorsitzender des Bauernverbandes Conf-Coltivatori in Latina südlich von Rom. Er hat ein Projekt aufgebaut, das vom Ruin bedrohte Bauernhöfe miteinander vernetzt. Während ursprünglich ländlicher Tourismus im Vordergrund stand, konzentrieren sich die Aktivitäten mittlerweile auf die Produktion ökologischer Lebensmittel.

taz: Die gut zwei Dutzend eurer über einen Radius von 80 Kilometer verstreuten Kooperativenmitglieder erzählen, daß sie vor drei, vier Jahren eher an ihren Ruin als an Prosperität glaubten. Heute strahlen sie. Wie kommt das?

Salvadori: Nicht alle strahlen, leider, weil die Bürokratie ihnen noch immer Hindernisse in den Weg legt. Aber ein Gutteil ist wirklich zufrieden. Wir haben den schon seit längerem bestehenden, aber immer isoliert durchgeführten „Agrotourismus“ — also Freizeitaktivitäten, die im weitesten Sinne mit der früheren Nutzung des Bodens im Zusammenhang stehen — einfach zusammengeschlossen: Der eine kann wegen seiner Hanglage schöne Bergtouren anbieten, der andere wegen der Nähe zu einem Wasserkanal Bootsfahrten, der dritte hat einen Reitstall eingerichtet, ein anderer einen Lehrgarten für Heil- und Küchenkräuter. Nicht alle haben die Möglichkeit, ihr Haus in eine Herberge umzuwandeln: Da können dann andere einspringen, die ihrerseits nur ein altes Gehöft, aber nicht genug Grund für weitere Aktivitäten besitzen. Die Gelder für diesen ländlichen Tourismus kommen von der Regionalverwaltung, und zwar zum großen Teil aus dem Brüsseler Topf für Neu- und Umstrukturierung benachteiligter Regionen.

Wieviel wird gefördert?

Bis zu einem Drittel der Umbaukosten, maximal 43.000 DM. Voraussetzung ist, daß die Eigner noch immer mindestens zur Hälfte vom Landbau leben.

Wie habt ihr konkret „vernetzt?“

Indem wir die Aktivitäten unserer Provinz Latina kollektiv angeboten haben. Da kann ein Tourist also im Bergstädtchen Sezze wohnen und in einem umgebauten Bauernhof an Keramik- und Sprachkursen teilnehmen oder auch Ausflüge bis nach Rom unternehmen. Von dort aus kann er auch — wir sorgen für den Transport — an einem Tag den Reitstall in Terracina, die Leichtmotorflugzeug-Schule bei Fossanova, den Radverleih in Borgo Sabotino nutzen oder in Formia Brot backen und die Verwendung von Heilkräutern lernen.

Darauf beschränken sich eure Aktivitäten aber nicht...

Im Rahmen dieser Vernetzung haben einige unserer Kooperativenmitglieder auch ihre Produkte angeboten: Olivenöl und Wein etwa, Käse, Schinken, garantiert ungespritzt und ohne künstliche Behandlung, eingemachtes Gemüse und so weiter. Jedes unserer Mitglieder bietet inzwischen das ganze Sortiment an. Das hat so enormen Anklang gefunden, daß nun auch eine Anzahl der anderen Bauern auf ökologische Landwirtschaft umstellen, um den Bedarf zu decken.

Ein beabsichtigter Nebeneffekt der Regionalförderung?

Eine Rückwirkung dieses Systems, die eigentlich niemand von uns vorausgesehen hat. Sicher, die Hoffnung war da, daß einige ihre ansonsten eben nur schwer absetzbaren Produkte an umwelt- und ernährungsbewußte Ausländer verkaufen könnten. Doch mittlerweile kommen auch immer mehr Italiener, die einerseits unsere Einrichtungen nutzen, andererseits aber auch Abnehmer von immer größeren Mengen unserer Produkte sind. Eine Entwicklung, von der wir hoffen, daß sie anhält, und die ohne die Subventionen aus den EG-Regionalfonds niemals hätte entstehen können.

Das Gespräch führte Werner Raith