Keine Beanstandungen

Der Weg der Gelder — Rekonstruktion eines Falles  ■ Aus Rom Werner Raith

Der Antrag klang, so der bearbeitende Beamte noch heute, „sauber, solide und völlig im Einklang mit den Vorschriften“: Eine an der Grenze zwischen Latio und der Campania liegende Firma, deren Name übersetzt „Öko-Tierhaltungs-und-Gartenbau-GmbH“ lautete, wollte Kühe und Schweine von Stall- auf Landhaltung umstellen, dazu einen bisher brachliegenden Hang wieder mit Olivenbäumen bepflanzen. Die Beamten, darunter ein Beauftragter der Abteilung für Regionalförderung der EG, kamen zum Lokaltermin, fanden die Situation wie im Antrag beschrieben, besahen sich die neuen Ländereien in einer abgelegenen Gegend und waren zufrieden. So würde Leben in den verlassenen Fleck Erde kommen. Die Fördersumme war beträchtlich, umgerechnet anderthalb Millionen DM.

Alle zwei Jahre wurden die Fortschritte des Projekts kontrolliert. Fazit der Kontrollbehörde: Keine Beanstandungen. Hallen für die Melkeinrichtungen waren gebaut worden. Im Gelände, das nun auch durch neue Teerstraßen erschlossen war, standen junge Bäume, daneben weidete das Vieh. Die Gelder wurden zügig ausbezahlt.

Dann kam das dicke Ende: Der Bauer beendete abrupt seine Bautätigkeit, meldete Konkurs an und verkrümelte sich — angeblich ins Ausland. Die genervt anbrausenden Kontrolleure mußten erkennen, daß es sich bei den Ställen eher um Attrappen handelte. Und die Bäume, die der Bauer vorgezeigt hatte, standen ebenso wie das Vieh nicht auf seinem Grund. Die zu Hilfe gerufene Polizei fand heraus: Das Geld, das die EG zugeschossen hatte, war, vermehrt noch um Gaben aus einem Sportfonds (dem der Bauer weisgemacht hatte, er wolle eine Superhalle für Kleinfeldfußball und Tennis bauen), sofort nach Eingang an eine oberitalienische Bank transferiert wurden, dort an eine Finanzgesellschaft ausgezahlt, von dieser wiederum in Mailand zur Börsenspekulation verwendet worden.

Dieses Szenario kam dem ermittelnden Staatsanwalt bekannt vor. Nach zwei Monaten Fahndung hatte er den betrügerischen Bauern gefunden — in Neapel, wo der Mann in einem heruntergekommenen Viertel lebte. Er war nie Bauer gewesen, hatte seinen Text im Auftrag einer Camorra-Gang aber sehr gut gelernt und die Beamten mit neapolitanischer Schauspielkunst ohne Schwierigkeiten überzeugt. Seither gilt für den Beamten: „Wenn Anträge einlaufen, bei denen alles aufs I-Tüpfelchen stimmt, überhaupt kein Zweifel an der Seriosität erlaubt scheint, dann muß man besonders vorsichtig sein.“