Glatzen, Blut, Sperma

Wie sollen die Medien mit den Rechtsradikalen umgehen?  ■ Von Klaus-Peter Görlitzer

Wer totgeschwiegen wird, lebt trotzdem. So ist es kein Wunder, daß wir gegenwärtig die Neuauflage einer Diskussion erleben, die vor drei Jahren ebenso schnell verschwand wie sie entstanden war: Wie sollen die Medien mit rechtsradikalen Parteien und PolitikerInnen umgehen? Sollen sie sich mit ihnen inhaltlich auseinandersetzen? Oder sie einfach rechts liegen lassen?

Wie eine verantwortungsbewußte Berichterstattung aussehen könnte, darüber machen sich JournalistInnen mitunter auch gemeinsam mit ihrem Publikum Gedanken. Zum Beispiel Friedrich Küppersbusch, Moderator des TV-Magazins ZAK vom WDR. Sicher, die Einschaltquoten seien höher, wenn bei der Berichterstattung über PolitikerInnen oder WählerInnen der Rechten „Glatzen, Blut und Sperma“ gezeigt, mithin Vorurteile gepflegt und das Sensationsbedürfnis befriedigt würden. „Das hat auch mit Ihnen zu tun, mit Ihrer Mediennutzung“, behauptete der ZAK-Moderator, ohne auf Widerspruch zu stoßen bei den rund 200 Menschen, die kürzlich an einer Podiumsdiskussion der Dortmunder Grünen teilnahmen.

Doch Sensationsmache, so Küppersbusch, sei ebenso wenig sein Anspruch wie das Ausgrenzen von Rechts-WählerInnen und ihrer „öffentlichen Figur“ Franz Schönhuber. Die Inhalte kämen ohnehin immer wieder hoch. Wie durch einen Maulwurfeffekt, egal, ob die Medien sie thematisierten oder nicht. Wer Einfluß auf die Meinungsbildung nehmen wolle, müsse sich mit Argumenten und Zielen der neuen Rechten auseinandersetzen — und das auch Auge in Auge mit ihren RepräsentantInnen.

Daß dieser journalistische Ansatz umstritten ist, das bekam Küppersbusch schriftlich, nachdem er den leibhaftigen Schönhuber live in ZAK interviewte. Das Echo war enorm: Mehr Zuschauerbriefe als jemals zuvor seien in der Redaktion eingegangen — viel grobe Ablehnung, weil Schönhuber so ein Forum erhalte, aber auch viel eindeutige Zustimmung. Unter den entrüsteten Zuschriften seien auch regelrechte „Jagdaufträge“ gewesen: JournalistInnen sollten, forderten BürgerInnen, die Republikaner gefälligst nur negativ ins Bild rücken. ZAK-Moderator Küppersbusch warnte davor, die neuen Rechten durch Verteufeln in die gewünschte Opferrolle zu drängen.

Auch sollten sich die Journalisten — neben der Aufklärung über die Rechten — die Mühe machen, Positionen der demokratischen Parteien mit denen von Schönhuber, Frey & Co. zu vergleichen. Das zeigten die Erfahrungen, die der Berliner Journalist Eberhard Seidel-Pielen referierte. Er erinnerte exemplarisch an Äußerungen des nordrhein-westfälischen SPD-Fraktionschefs Friedhelm Farthmann, der Flüchtlinge so schnell wie möglich durch EinzelrichterInnen überprüfen lassen will und dazu hemdsärmelig seine Gebrauchsanweisung beifügte: „Und dann an Kopf und Kragen packen und raus damit.“ Entsprechende Forderungen, nur vornehmer formuliert, finden sich auch in Publikationen der Republikaner. Die Formel vom angeblich massenhaften „Asylmißbrauch“, die sie und Freys DVU in Wahlkämpfen plakatierten, gehört inzwischen zum Vokabular der demokratischen Volksparteien.

Der grüne Kommunalpolitiker Richard Kelber behauptete, es gäbe immer mal wieder Stimmen aus der Dortmunder SPD und CDU, deren Inhalt von den neuen Rechten nicht zu unterscheiden sei. Nur erfahre dies kein Zeitungsleser, weil die Lokalpresse dies unter den Redaktionsschreibtisch fallen lasse.

Küppersbusch betonte, daß auch die Auseinandersetzung mit den Problemen der BürgerInnen, die womöglich ihr Kreuz bei den Reps gemacht hätten, stattfinden müsse. „Es gibt“, so der ZAK-Moderator, „einen Verdrängungswettbewerb unter den Schwächsten, und diese Gesellschaft rührt ihn an.“ Dies müsse immer wieder thematisiert werden — selbst auf die Gefahr hin, daß interessierte Kreise darauf mit Vorwürfen reagieren könnten — etwa mit folgender Vorhaltung: „Jetzt machen Sie Republikaner-Funk und propagieren deren Argumente.“