Esten krönen ihre Unabhängigkeit

Die Krone hat in Estland den Rubel abgelöst/ Erste Ex-Sowjetrepublik mit unabhängiger Währung  ■ Aus Tallinn Klaus Bachmann

Seit zehn Tagen hat Estland eine neue Währung, die Krone. Jeder erwachsene Este konnte zunächst drei Tage lang maximal 1.500 Rubel in 150 Kronen umtauschen, seither sind 50 Rubel offiziell nur noch eine estnische Krone wert. Wie dagegen Ersparnisse auf Sparkonten umgerechnet werden, ist bislang noch ungeklärt. Estland ist damit das erste Land der ehemaligen Sowjetunion, das sich vom Rubel vollkommen abgekoppelt hat. Geplant ist die Einführung eigener Währungen bisher auch in den anderen baltischen Ländern und der Ukraine. Litauen will noch in diesem Jahr den Lit einführen. Die Ukraine und Litauen haben bisher auch zusätzliche Ersatzwährungen in Kuponform in Umlauf gebracht, um zu verhindern, daß von außerhalb dieser Länder kommende Spekulanten subventionierte Grundnahrungsmittel aufkaufen und in die GUS schmuggeln.

Eigene Währungen sind für die unabhängig gewordenen Staaten vor allem Symbole ihrer Souveränität. Darüber hinaus sehen sie neue Währungen auch als unabdingbar für wirtschaftliche Reformen und den Beitritt zum Internationalen Währungsfonds (IWF) an. Bisher hingen alle Ex-Sowjetrepubliken am Rubel, der in Moskau gedruckt wird, ohne daß etwa die baltischen Banken darauf den geringsten Einfluß gehabt hätten. So werden nicht nur die Scheine in Moskau gedruckt, die Russische Zentralbank entscheidet auch über die Inflationsraten der baltischen Länder.

Als Rußland die Nahrungsmittelpreise freigab, mußten die anderen Republiken nachziehen, wollten sie nicht leergekauft werden. Als Anfang des Jahres in Rußland plötzlich ein Rubelmangel auftrat, weil die russische Notenpresse mit der Arbeit nicht mehr nachkam, begann die südestnische Stadt Tartu beispielsweise mit dem Druck eigener Banknoten. Die wurden nun zugunsten der neuen Kronen wieder abgeschafft und sind heute nur noch als Sammlerstücke gegen harte Währung zu haben.

Die Ausgabe eigener Republiken- Währungen könnte dagegen bald die Inflation der Rubelländer weiter anheizen, dann nämlich, wenn die Ukraine ihre Währungspläne wahr macht und gigantische Rubelmengen aus der Ukraine in die Nachbarländer abfließen. Auch in Estland ist der Rubel durch die Einführung der Krone nicht wertlos geworden. Selbst wer sein Rubelguthaben nicht umtauschen darf, kann damit immer noch in Weißrußland und Rußland einkaufen und die Waren dann in Estland gegen Kronen verkaufen. Deshalb wird der Rubel auf den Basaren und Schwarzmärkten des Baltikums immer noch gern gehandelt.

Gescheitert ist mit der Einführung der Krone dagegen der Plan, eine baltische Währungszone zu errichten, in der nur eine Währung gilt. Solche Pläne wurden auch von westlichen Experten befürwortet, sind allerdings vom Tisch, seit der Plan, eine Baltische Investitionsbank zu errichten, scheiterte. Bisher hat nur Litauen eine Investmentbank, die als Partner der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung westliche Kreditprogramme begleitet. Lettlands und Estlands Gegenstücke befinden sich noch in der Organisationsphase. Westliche Experten wie der Amerikaner Jeffrey Sachs, der als Berater der polnischen und russischen Regierung tätig ist, warnen die Balten davor, sich untereinander und von ihren Rubel-Nachbarn zu isolieren. „Kein Land wird reich, wenn es nicht über einen großen Wirtschaftsraum verfügt“, warnte er unlängst in Tallinn. Die Balten sollten auf den Handel mit der GUS nicht verzichten.

Die Chancen, daß die neue Währung eine harte werden wird, sind in Estland am größten. Dies bescheinigt dem Land inzwischen eine IWF- Studie, die zu dem Schluß kommt, die marktwirtschaftlichen Reformen seien dort am weitesten fortgeschritten. Estland hat die Krone auch mit seinen Devisen- und Goldvorräten abgesichert und an die DM gekoppelt. Auch die Aussichten Lettlands schätzen westliche Experten nicht ungünstig ein. Nach Ansicht des Kölner Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien verfügt Lettland als einziges Land der Region über eine positive Handelsbilanz mit den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Das Nationaleinkommen ist so auch pro Kopf dreimal höher als in Rußland.

Das entspricht einem gesamtbaltischen Trend — an der Ostsee verdient man wesentlich mehr als in Rußland, die Zahl der Niedrigsteinkommen ist in Litauen nur halb so groß wie in Rußland. Weniger günstig auswirken dürften sich auf die Einführung eigener Währungen dagegen die hohen Haushaltsdefizite der Balten, deren wirkliche Höhe zur Zeit noch durch die hohe Rubelinflation verschleiert wird.