Superphénix steht vor dem Aus

Betriebsgenehmigung für den schnellen Brüter verfällt/ Mehr Sicherheit und Transparenz gefordert  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Der Superphénix, der größte Plutoniumreaktor der Welt, wird stillgelegt. Frankreichs Premierminister Bérégovoy verfügte am Montag abend zwar nur ein vorläufiges Aus, nach Ansicht von Experten ist damit jedoch das Ende des französischen schnellen Brüters besiegelt.

Der Regierungschef stellte vier Bedingungen für eine Wiederinbetriebnahme des Reaktors in Creys- Malville im oberen Rhonetal, der seit dem 3. Juli 1990 wegen technischer Pannen keinen Strom mehr produziert. Die Folge: Superphénix kann vor Samstag nicht wieder angeschaltet werden, nach zweijähriger Pause verfällt jedoch die Betriebsgenehmigung.

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, bevor ein erneutes Genehmigungsverfahren eingeleitet werden kann: Ein kürzlich erstellter, äußerst kritischer Sicherheitsbericht soll veröffentlicht werden. Wie in dem Bericht verlangt, sollen im Primärkreislauf des Reaktors Arbeiten ausgeführt werden, die einen Brand des Kühlmittels Natrium ausschließen. Eine öffentliche Sicherheitsuntersuchung und eine Debatte von Gegnern und Befürwortern soll „größte Transparenz“ bringen. Der Forschungsminister soll einen Bericht erstellen über die mögliche Umwandlung des Superphénix in eine Anlage zur „Verbrennung“ von langlebigem Atommüll. Diesen Vorschlag verurteilt Greenpeace als „intellektuellen und wissenschaftlichen Betrug“, da es bis heute keine Technik gibt, die Atommüll vernichten könnte. Somit dürfte die bewegte Geschichte des Superphénix mit einer riesigen Pleite für die Atomindustrie enden. Zu Baubeginn im Juli 1977 hatten sich fast hunderttausend AKW-GegnerInnen aus Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz in Malville Kämpfe mit der Polizei geliefert, die dabei Granaten eingesetzt hatte. Ein Demonstrant wurde getötet. Im September 1985 ging das Vorzeigestück der europäischen Atomindustrie ans Netz. Mit einer Leistung von 1.200 Megawatt sollte der Prototyp eine neue Brütergeneration einleiten. Daraus wurde nichts: aufgrund zahlreicher Pannen lieferte der Superphénix nur 174 Tage lang Strom — die übrige Zeit verbrauchte das AKW Strom, um sein Kühlmittel Natrium zu erhitzen und flüssig zu halten. Diese Kosten entstehen auch weiter. Bis heute hat der Reaktor 15 Milliarden Mark verschlungen. Nur 51 Prozent des Kapitals stammen aus Frankreich, denn an dem Projekt sind auch Italien und ein Konsortium unter Führung des deutschen RWE beteiligt, das schon in Kalkar Milliarden in den Sand gesetzt hat. Bei einem formellen Aus für den Superphénix können die ausländischen Anteilseigner von Frankreich Entschädigung verlangen.

Mit seiner jüngsten Entscheidung signalisierte der Regierungschef den Grünen Entgegenkommen, die er am Dienstag zum Gespräch geladen hatte; ein Treffen mit Sozialistenchef Fabius war ebenfalls geplant. Die angeschlagene Sozialistische Partei spekuliert auf ein Wahlbündnis mit den Grünen.