Achter Worldcup für Elektro- und Solarmobile in Pforzheim: "Tour de Sol" der bunten Eier

„Tour de Sol“ der bunten Eier

Baden-Baden (taz) — Kopfschüttelnd hat der sportliche Herr sein schwarzes Jaguar-Cabriolet auf den Bürgersteig gefahren und den kultivierten Zwölfzylinder zum Stehen gebracht. Waghalsige Mountainbiker war man am Rand des autofreien Zentrums der Kurstadt Baden-Baden ja gewohnt, aber das! Da war doch eben eine pinkfarbene Flunder an ihm vorbeigezischt, so flach, daß sie im Rückspiegel kaum zu erkennen war, geräuschlos — fast — und nicht einmal zu riechen. Was konnte das denn nur gewesen sein?

Und dann die anderen. Der dreirädrige gestutzte Segelflieger etwa und die gläserne Kanzel eines Düsenjets — ebenfalls auf Rädern. Leise summten radbestückte, bunte Eier an ihm vorüber, Mobile in Ufo- und Tropfenform und futuristisch gestaltete Leichtfahrräder. Es waren alles Fahrzeuge, die gut dreimal in den schwarzen Jaguar gepaßt hätten, mitsamt den Frauen und Männern am Volant. Jetzt noch eine Ehrenrunde um den Kurpark, dann begrüßt ein Lautsprecher die bunten Renner. Die erste Etappe der „Tour de Sol“, des achten Worldcups für Elektro- und Solarmobile ist beendet. Noch einige werden folgen.

Energiespar-Rennen

Es ist ein großes Rennen der Superlative im Energiesparen. Über sechzig Autos der Kategorien Renn- beziehungsweise Prototyp-Solarmobile, Fahrzeuge, die bereits in Serie gefertigt werden, und elektrobetriebene Zweiräder waren am vergangenen Sonntag vormittag in Pforzheim an den Start gegangen. Bis auf drei Fahrzeuge, deren Batterien wegen hoher Außentemperaturen und dem steilen Anstieg in den Schwarzwald überhitzt und ausgefallen waren, hatten alle das Etappenziel erreicht.

Für ein paar Stunden hatte der sterbende Schwarzwald allen Grund zum Auftatmen, dann ließen seine mürben Tannen die Äste wieder hängen. Wenn die geräusch- und geruchlosen kleinen Flitzer am kommenden Sonntag das Ziel der „Tour de Sol“, Saas Fe in den Walliser Alpen, erreichen, haben sie 600 Kilometer zurückgelegt, mit Steigungen insgesamt so hoch wie der Mont Blanc.

Heute werden die zigarrenförmigen Flitzer in Lausanne erwartet. Mit Pluspunkten bewertet wird das schiere Gegenteil dessen, wofür die Sponsoren der Grand-Prix-Rennen in der benzinbetriebenen FormelI ihre Millionen verschleudern: der Minimalverbrauch, die Alltagstauglichkeit, passive Sicherheit und das Design.

Bis zu 160 km/h

Der Preis für optimale Innen- und Außengestaltung bei den neuen Prototyp-Solarmobilen ist bereits vergeben. Der Horlacher Sport 2, das schönste Ei auf Rädern, ist nach dem Urteil renommierter internationaler Ästheten das ideale Fortbewegungsmittel der Zukunft. Ganze 480 Kilo schwer, das Dach mit Solarzellen bestückt, wird der elegante und geräumige Zweisitzer für die 600 Kilometer bis Saas Fe gerade mal den elektrischen Gegenwert von 2,6 Litern Benzin verbrauchen. Das ist für die Konstrukteure von Rennsolarmobilen eine indiskutable Menge. Ihre Flitzer, mit bis zu acht Quadratmetern Solarzellen sind echte High- Tech-Boliden, kommen auf Spitzengeschwindigkeiten von 120 Stundenkilometern und verbrauchen höchstens halb soviel.

Eher rührend nimmt sich da der zum Elektromobil umgebaute Trabi etwa gegen eine Konstruktion des Schweizer ASMO-Teams aus. Ihr Solarmotorrad erzielt Höchstgeschwindigkeiten von über 160 km/h und eine Reichweite bei einmaliger Batterieladung von 250 Kilometern.

Neugierig läßt sich ein älterer Herr im Baden-Badener Kurpark über die Qualitäten eines der neuen Prototypen informieren. 480 Kilo beträgt ihr durchschnittliches Gesamtgewicht. Warum nur, wundert sich der Mann, brauchte man eigentlich bisher zwei Tonnen schwere Autos, um einen Menschen mit 70 Kilo Körpergewicht zu transportieren? Zwei russische Tüftler haben sich das offenbar auch gefragt und mit ihrem dreirädigren Liegefahrrad mit zusätzlichem Elektromotor ein wahres Wunderwerk an Mechanikerleistung vollbracht.

Jetzt sitzen sie auf dem gepflegten Kurparkrasen und versuchen mit einfachsten Werkzeugen, einen gebrochenen Bolzen des Lenkgestänges samt Gewinde nachzudrehen, um am nächsten Tag wieder mit dabeizusein. Auch ein achtzehnjähriger Schüler aus Stuttgart hofft, wenigstens bei den letzten Etappen der Tour de Sol mitfahren zu können. Ganze zwei Jahre hat er jeden schulischen Ehrgeiz zurückgestellt und an einem Solarfahrrad gebastelt. Die für die Teilnahme an der Tour de Sol unumgängliche Führerscheinprüfung hat er bis heute nicht geschafft. Doch in den vergangenen drei Nächten ist sein Sonnenvelo fertig geworden. Jetzt hofft er natürlich, mit Hilfe der Assistenz einer Fahrlehrerin und dem Wohlwollen der Schweizer Zollbeamten die Tour bis nach Saas Fe mitfahren zu können. Dietrich Willier