PRESS-SCHLAG
: „Jammern bringt nichts“

■ Obwohl sie meist vor traurigen Kulissen kickt, mag Martina Voss nicht vom Fußball lassen

Ein neuartiger Fußballschuh kommt in diesen Tagen auf den Markt. Einer aus Känguruhleder. Mit schmalem Leisten. Abgestimmt auf die Anatomie des weiblichen Fusses. Ein Frauen-Fußballschuh. Sein Name: Martina Voss.

Bevor ein Sportartikelfabrikant seine Kickstiefel nach einer Fußballerin benennt, muß sie schon manch glorreiche Tat vollbracht haben in ihrer Karriere. Martina Voss, 24, Stürmerin hat: Europameisterin 1989 und 1991, im selben Jahr WM-Vierte. Gerade ist sie mit ihrem TSV Siegen durch ein 2:0 über Grün-Weiß Brauweiler Deutsche Meisterin geworden, zum drittenmal hintereinander. Kein Wunder, wo doch Siegen die besten Kräfte des deutschen Frauenfußballs in seinen Reihen versammelt.

Aber auch die können nichts ausrichten gegen den Zuschauerschwund, unter dem die Frauen- Bundesliga leidet, nur zwei Jahre nach ihrer Gründung. Der kümmerliche Schnitt liegt bei 200 Besucherinnen und Besuchern pro Spiel, selbst das Starteam aus Siegen kickt meist vor traurigen Kulissen. „Jammern bringt nichts“, sagt Martina Voss, „wir müssen das durch gute Leistungen verändern.“

Wenn das so einfach wäre! Die spielerische Leistung vieler Balltreterinnen ist hervorragend. Was dem Publikum offenbar fehlt, ist das, was es vom geliebten Herrenkick gewohnt ist: harte Zweikämpfe, Kampf, Action. Der Frauenfußball hat andere Qualitäten, ist stärker auf Technik und Ästhetik ausgerichtet. „Aber davon kannst du die Leute nicht von heute auf morgen überzeugen“, sagt Martina Voss. Zumal die Kickerinnen von den Medien beharrlich ignoriert werden. „Wenn wir ein Länderspiel haben, gibt das Fernsehen nicht mal den Termin durch“, sagt Frauen-Bundestrainer Gero Bisanz. Und in der Presse ist die weibliche Balltreterei längst zur Marginalie verkommen.

Was aber sagen die Fachleute? Der Kaiser empfiehlt neue Kleider: Fraulicher anziehen sollten sich die Damen, riet Franz Beckenbauer jüngst im Magazin der 'Süddeutschen Zeitung‘, „vielleicht in Leggings, aber jedenfalls körperbetont“. Martina Voss kennt solche Vorschläge. Beim Frauen-Pokalfinale in Berlin verlangte die maskulin dominierte Tribüne lautstark nach einem Trikotwechsel; schon nach der 89er-EM hatte ihr der 'Playboy‘ ein stattliches Sümmchen in Aussicht gestellt, wenn sie sich ohne Trikot fotografieren ließe. „Typisch, daß wir nicht als erfolgreiche Sportlerinnen gesehen werden, sondern in einer bestimmten Rolle als Frau“, sagte sie und lehnte dankend ab.

Das Klischee vom fragilen Weibchen erfüllt sie nicht. Vor vier Jahren riß das Kreuzband im Knie, das Innenband, der Meniskus. Alles schien vorbei zu sein, aber Martina trainierte und kämpfte, bis sie wieder im Team war. Ein zwischenzeitlich anvisiertes Engagement in der italienischen Profiliga wurde verworfen: „In Siegen haben mich alle unterstützt während der Verletzung, da fühlte ich mich einfach verpflichtet.“

Weil sie damals noch in Duisburg zur kaufmännischen Angestellten ausgebildet wurde, fuhr sie viermal die Woche nach Siegen zum Training, 170 Kilometer, anderthalb Stunden auf der Autobahn, nie vor Mitternacht im Bett. Mittlerweile wohnt sie in Lüdenscheid, das ist nur 60 Kilometer von Siegen entfernt. Ohne Idealismus gehe es im Frauenfußball nun mal nicht, sagt die Siegenerin, und sie hofft, den düsteren Prognosen zum Trotz, „daß die Damen in ein paar Jahren bessere Bedingungen haben und als Halbprofis spielen können“. Im Moment gibt es nichts zu verdienen, viele Kickerinnen zahlen sogar drauf.

Martina geht es schon jetzt etwas besser als vielen Kolleginnen — das neu entwickelte Schuhwerk aus zarter Känguruhhaut bringt Werbegelder und erfreut sich großen Interesses. Sogar einige offenbar schmalfüßige Kicker des Karlsruher SC wollen den „Martina Voss“-Stiefel demnächst anprobieren. „Soweit“, sagt Martina Voss, „sind wir doch gar nicht mehr auseinander.“ Holger Gertz