KOMMENTAR: Schonfrist für Waigel
■ Die Debatte um die deutschen Einheitskosten beginnt nach der Sommerpause
Wie wenig Substanz der Bundeshaushalt für 1993 hat, mußte sich Theo Waigel (CSU) gestern einmal nicht von der SPD, sondern von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP vorhalten lassen. Die ParlamentarierInnen lobten ihren Minister zwar für den Haushalt 1993. Darüber hinausgehend beschlossen sie aber, daß die Kosten der Einheit ab 1994 nicht die neuen Bundesländer tragen sollen, sondern der Bund und die westdeutschen Länder. Damit sitzt Waigel in der Zwickmühle; die Fraktionen legten ihn nämlich gleichzeitig auf seine eigenen Eckwerte fest, nach denen der Bundeshaushalt in den kommenden Jahren höchstens um 2,5 Prozent, die Länderhaushalte maximal um 3 Prozent pro Jahr wachsen dürfen. Ein wesentliches Element von Waigels mittelfristiger Finanzplanung war jedoch, daß die neuen Bundesländer die Hälfte der 350 Milliarden Mark Treuhand- und DDR-Altschulden aufgebürdet bekommen — egal ob sie unter dieser Schuldenlast zusammenbrechen oder nicht.
Das Hin- und Hergeschiebe großer öffentlicher Schuldenberge außerhalb des Bundeshaushaltes findet mit dem Beschluß der Fraktionen ein Ende. Zwar nicht sofort — schließlich soll die Bundesregierung als Gastgeberin des Münchner Weltwirtschaftsgipfels nächste Woche eine gute Figur machen dürfen — aber im Herbst. Dann nämlich soll Waigel detaillierte Pläne zum ersten gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich vorlegen. Denn bis 1995 müssen die immensen Kosten der Einheit zwischen Bund und Ländern aufgeteilt sein.
Dafür wird Waigel sich mit den SPD-Ländern arrangieren müssen, die dann auf dem „Kassensturz“ beharren werden. Sie werden es sich mit ihrer Mehrheit im Bundesrat kaum nehmen lassen, die Schattenhaushalte öffentlich zu diskutieren. Der Haushalt 1993 ist dann zwar beschlossen, das Thema Kosten der Einheit hat aber endlich die politische Tagesordnung erreicht.
Die gestrige Stellungnahme der Bundestagsabgeordneten um die Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble (CDU), der bekanntlich gerne selber Kanzler wäre, und Hermann-Otto Solms (FDP) kann man getrost auch als Kampfansage an Kohl interpretieren. Der Kanzler schaffte es bisher zwar, die bevorstehenden Ost-West-Verteilungskämpfe beharrlich zu ignorieren. Das wird aber selbst ihm kaum länger gelingen. Die noch nicht einmal gegründete Ost-Partei als Interessenvertretung der Ossis gegen die Bonner Politik wirft ihre Schatten voraus. Donata Riedel
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