Schweden macht Grenzen für Flüchtlinge aus Bosnien dicht

Juristische Tricks und ein 38 Jahre altes, „vergessenes“ Abkommen mit der Bundesrepublik dienen als Begründung zur Abweisung  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Schweden ist seit einigen Tagen für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina unerreichbar. Wie erst gestern bekannt wurde, gibt es eine seit dem Wochenende geltende Anweisung der Regierung, alle diese Flüchtlinge noch an der Grenze abzuweisen. Begründung: mit Bosnien-Herzegowina bestehe kein Abkommen über Visumfreiheit. Tatsächlich wurde ein solches Abkommen mit der neuen Republik aus Zeitgründen noch nicht geschlossen. Dagegen bestehen Abkommen über Visumfreiheit mit Serbien, Kroatien und dem Rest des „alten“ Jugoslawien. Selbst in Kreisen des für die Aufnahme von Flüchtlingen zuständigen Amtes, des „Invandrarverks“, wird der Schritt Stockholms offen kritisiert: Mit einem juristischen Trick und unter Ausnutzung einer verwirrten diplomatischen Lage würden ausgerechnet die Flüchtlinge aus dem derzeit am schwersten umkämpften Bürgerkriegsland getroffen. Einwandererministerin Birgit Friggebo wies jede Kritik zurück. „Die Flüchtlinge werden ja nicht nach Sarajevo zurückgeschickt, sondern nach Deutschland.“

Die schwedische Regierung hat dazu ein seit Jahrzehnten nicht angewendetes Abkommen mit der Bundesrepublik aus dem Jahre 1954 aus der Schublade geholt, das selbst in Kreisen des „Invandrarverks“ völlig unbekannt war.

In diesem Abkommen war Schweden die Möglichkeit eingeräumt worden, Flüchtlinge, die aus der Bundesrepbulik einreisen, ohne nähere Prüfung umgehend dorthin zurückzuschicken. Wie aus Kreisen der Grenzpolizei bekannt wurde, sind seit dem Wochenende offensichtlich mehrere hundert Flüchtlinge abgewiesen worden. Nach einem Bericht von 'Dagens Nyheter‘ wird Schwedens Ministerpräsident Bildt bei der bald stattfindenden KSZE-Konferenz in Helsinki eine Quotenregelung der europäischen Staaten für die Aufnahme jugoslawischer Flüchtlinge vorschlagen. Schweden hat bislang etwa 35.000 Flüchtlinge aus den Ländern des früheren Jugoslawien zumindest vorübergehend aufgenommen.

Visapflicht in Slowenien geplant

Wien/Budapest (afp/taz) — Österreich und Slowenien erwägen eine Verschärfung ihrer Grenzkontrollen. Der stellvertretende slowenische Ministerpräsident Joze Pucnik erklärte gestern in Wien, die Lage in seinem Land sei infolge des anhaltenden Flüchtlingszustroms „explosiv“. Die allgemeine Visapflicht solle eingeführt werden. 63.000 Bürgerkriegsflüchtlinge leben derzeit in Slowenien. Pucnik richtete heftige Vorwürfe an die internationale Staatengemeinschaft, die die zugesagte Hilfe für die Flüchtlinge nicht leiste. Er schlug vor, den Menschen in Bosnien-Herzegowina an Ort und Stelle zu helfen, und zwar „in Zonen, wo ihre Sicherheit gewährleistet ist“. Österreich, das derzeit etwa 45.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien beherbergt, hat für die kommenden Tage die Einführung einer Visapflicht für Inhaber serbischer Pässe angekündigt.

Die ungarische Nachrichtenagentur 'mti‘ berichtet, Budapest arbeite zusammen mit dem UN-Hochkommissariat einen Plan zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus. Derzeit sind zwischen 20.000 und 30.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien im Land.