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Dürre zwingt die Bauern an den Tropf

■ Das Getreide vertrocknet, Kartoffeln haben erst Murmelgröße erreicht, die Kühe rupfen hartes Gras auf verbrannten Weiden. Auch wenn es sofort anfinge zu gießen: Die Existenz vieler Bauern ist..

Dürre zwingt die Bauern an den Tropf Das Getreide vertrocknet, Kartoffeln haben erst Murmelgröße erreicht, die Kühe rupfen hartes Gras auf verbrannten Weiden. Auch wenn es sofort anfinge zu gießen: Die Existenz vieler Bauern ist ernsthaft bedroht.

Die ersten Trecker und Laster rollen schon. In Schleswig-Holstein hat die Operation „Strohbörse“ begonnen, um die Rindviecher des nördlichsten Bundeslandes über den trockensten Sommer der Nachkriegszeit zu bringen. Bauern, die bei ihrer Getreideernte Stroh übrigbehalten, können bei den 16 Maschinenringen im Land dieses Stroh anmelden. Die Ringe, eine 25 Jahre alte staatlich subventionierte Selbsthilfeeinrichtung der schleswig-holsteinischen Landwirte, vermitteln das Stroh dann weiter an die hilfsbedürftigen Landwirte.

„Viele sind schon in Not“, hat Jürgen Lamp, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Ringe, beobachtet. Aber im Grunde müßte man die Rindviecher über den Sommer bekommen. „Wir haben ausreichend Stroh, um jedes Tier in Schleswig-Holstein damit zu ernähren.“ Notfalls müsse man eben auf Transportkapazitäten der Bundeswehr und des Technischen Hilfswerks zurückgreifen. Wichtig sei jetzt lediglich, daß das Stroh auch für die Börse zur Verfügung stehe und nicht einfach untergepflügt werde.

Den Bauern in Brandenburg fehlen bislang solche Selbsthilfeeinrichtungen. Die Genossenschaften und die wenigen Einzelbauern haben aber genauso mit der Dürre zu kämpfen. Um Cottbus herum mußten zum Teil 90 Prozent der Sommergerste siliert oder umgebaut werden: Ernteverlust total. Zu DDR-Zeiten hätte es so etwas ähnliches wie die Strohbörse auch gegeben, so Rudolf Herold, Sprecher des brandenburgischen Bauernverbandes. „Das hieß damals Naturalhilfsfonds. Im Augenblick findet Hilfe bei uns aber nur von Betrieb zu Betrieb statt.“ Besonders geschädigt fühlen sich die brandenburgischen Genossenschaftsbauern durch die Vereinigungswirren. Die alte Verwaltung von Wasserreservoirs und Bewässerungssystemen sei zusammengebrochen, und die neue funktioniere noch nicht. „Die Umschichtung hat nicht geklappt. Das ist der Landesregierung aus den Händen geglitten“, schimpft der Bauernverbandsvorsitzende Heinz- Dieter Nieschke (CDU). 100.000 Hektar Ackerland, die in früheren Jahren bewässert wurden, verdorren jetzt. Die Landesregierung hat erst gestern als Sofortmaßnahme 1,6 Millionen Mark für den Betrieb von Beregnungsanlagen bereitgestellt.

Hilferufe in Richtung Brüssel

Egal ob in Brandenburg, in Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder in Mecklenburg-Vorpommern: erste Priorität hat im Augenblick für die Landwirte die Versorgung der Tiere. Und weil die Strohbörse logistisch schwierig und auch teuer ist (der Preis fürs Stroh ist um bis zu 400 Prozent gestiegen), wird über andere Möglichkeiten nachgedacht. Als erstes sind die bauernschlauen Landwirtsverbände und ihre Minister auf die mit EG-Prämien stillgelegten Flächen gekommen. Die grünen noch vor sich hin. Naturschutz hin oder her, die könnten jetzt beweidet werden.

Doch dazu braucht es eine Ausnahmegenehmigung der EG-Kommission. Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle hat schon heftig in Brüssel antichambriert und hofft, EG-Landwirtskommissar Ray McSharry mit Hilfe der dänischen Regierung bis Samstag weichzuklopfen. Bauernpräsident Heeremann setzt noch eins drauf: Den Viehhaltern könnte durch kostenloses Getreide aus den übervollen Lagerbeständen der EG geholfen werden.

Der ganze Umfang der wirtschaftlichen Schäden läßt sich noch nicht absehen. Für viele Betriebe ist er allerdings verheerend. Brandenburgische Großgenossenschaften rechnen schon jetzt mit Millionenverlusten. Die Landwirtschaftsministerien von Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern sprachen in einer ersten Schätzung von je 800 Millionen Mark Ernteschäden. Die Hälfte der Betriebe, gerade die „Neueinrichter“, seien existentiell bedroht, so der Schweriner Landwirtschaftsminister Brick (CDU). Wichtig sind den Bauern und ihren Ministern deshalb vor allem Liquiditätshilfen: die Stundung von Krediten, zinslose Überbrückungskredite und verständnisvolle Finanzämter. Daneben rufen sie aber auch nach direkten Hilfen aus Bonn und von der EG. 100 Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt solle Bonn früher als geplant bereitstellen, so Brandenburgs Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann (SPD). Er will auch direkte Dürrehilfen von der EG.

„Die Portugiesen haben einmal 425,90 Mark je Hektar an Dürreentschädigung für ihr Getreide bekommen“, zeigte sich Brandenburgs Bauernchef Nieschke schon in den vergangenen Tagen erstaunlich gut informiert. So etwas müsse jetzt auch für die bedrohten Bauern in Norddeutschland drin sein. Schließlich seien allein in Brandenburg 40.000 Arbeitsplätze bedroht. Hermann-Josef Tenhagen

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