Bonn beschließt Öko-Dumping im Osten

Investitionshindernisse sollen mit Zustimmung des Umweltministers beseitigt werden/ Dreckschleudern und Müllkippen künftig leichter durchzusetzen/ Klagerechte der Bürger sollen eingeschränkt werden  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Die Bundesregierung will den Bau von Industrieanlagen, Müllkippen und Autobahnen im Osten weiter erleichtern, auch wenn diese möglicherweise nicht westlichen Umweltstandards entsprechen. Die Vorschläge eines interministeriellen Prüfberichts zum Zwei-Klassen-Planungsrecht in Deutschland segnete das Kabinett gestern ab. In dem 17seitigen Papier von sechs Ministerien heißt es, „weitere Maßnahmen zur Überwindung von Investitionshindernissen im Osten sind erforderlich“.

Auch das Bundesumweltministerium ist jetzt auf dem Beschleunigungstrip. Im Umweltrecht sollen „möglichst umgehend die Voraussetzungen für weitere Verfahrensbeschleunigungen getroffen werden“, heißt es in dem Papier. So soll zum Beispiel das fortschrittliche Immissionsschutzrecht nicht mehr angewendet werden, wenn die Gefährlichkeit einer Anlage „an Relevanz verloren hat“. Die notwendigen Sicherheitsgutachten für den Betrieb solcher verschmutzenden Anlagen sollen verringert werden, und qualmende Schlote dürften künftig nach einem Umbau auch ohne abschließende Genehmigung wieder in Betrieb gehen.

Bei der Standortsuche für Müllkippen und andere Abfallentsorgungsanlagen sollen die Länder auf ein ausführliches Raumordnungsverfahren mit Bürgerbeteiligung verzichten können. Statt dessen könnten dann Behörden eine solche Entscheidung unter sich ausmachen, soweit bei der Standortwahl die Raumordnungsbehörden beteiligt sind.

Um die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich noch schneller mit Autobahnen zu beglücken, plant die Bundesregierung den hinhaltenden Widerstand der Regierungen einzelner Ostländer gegen die rapide Asphaltierung zu umgehen. Die Bundesländer sollten vom Raumordnungsverfahren absehen. Die Klagemöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger soll zusätzlich zu den bestehenden Krauseschen Gesetzen eingeschränkt werden. Das Kabinett beauftragte das Bundesjustizministerium zu prüfen, wie Gerichtsverfahren um Infrastrukturprojekte weiter „gestrafft und verkürzt“ werden können. Ziel ist, die Verfahren wie schon beim Beschleunigungsgesetz auf jeweils eine sogenannte Tatsacheninstanz zu verkürzen.

Zur Personalgewinnung für einen schnelleren Aufbau der Verwaltungen im Osten will die Bundesregierung zu guter Letzt auch das Bundeswehrpersonal einbeziehen, das nach dem Personalstärkegesetz vorzeitig freigesetzt worden sei, heißt es in dem Bericht. Der Bund und die alten Bundesländer haben den neuen Ländern danach am 30. April über 25.000 Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung auf dem Weg der Abordnung oder Versetzung überlassen. Daneben leistet der Bund Personalkostenzuschüsse, vor allem an die Kommunen. Sie erhalten 1992 rund 100 Millionen Mark, womit rund 40 Prozent der Personalkosten sowie Aufwandsentschädigung und Nebenkosten gedeckt werden.