Betr.: Aktion Fluter

■ Bilder und Rauminstallationen über 100 Tage im Cafe Kairo / Jede Arbeit ist an einem Tag entstanden

Flut! Überschwemmung! Hülle und Fülle! Dem Cafe Kairo steht die Kunst schon weit bis über die Fensterrahmen. Und danach? „Aktion Fluter“ heißt das Ganze, und das ist es auch. Letzte Ausläufer von Bug- und Heckwellen schwappen bis in die Faxgeräte lokaler und überregionaler Redaktionen und sorgen dort für ansteigende Wutwellen, aber dazu später. Stetig steigender Papier- Pegel!

Neben dem Kairo in der Waller Reuterstraße sitzt ja die GaDeWe, Galerie des Westens, die das Cafe Kairo mit Fug und Recht als ihr Stammlokal betrachtet. Und die GaDeWe-KünstlerInnen beguckten sich eines Tages die gelblichen Kairo-Wände, die dunkelbraunen Holzpaneele, die Grünpflanzen und Beleuchtungskörper und fanden: Dies ist der Ort naßforscher, staubtrockener Überschwemmung.

Schließlich ist in Kassel Dokumenta! Da mischt Bremen selbstverständlich mit und flutet eben. Überflutet. Und das geht so: Genau 100 Dokumenta-Tage lang, seit dem 13. Juni, exakt um 24 Uhr, wird Kunst angenommen und aufgehängt im Kairo. Nicht irgendwelche Kunst: junge Kunst. Maximal 24 Stunden alt. Bedingung: Jede der eingereichten Arbeiten muß am Tag der Abgabe entstanden sein. Alles andere ist ziemlich egal: das Thema ist ganz frei, Formate und Materialien müssen sich bloß mit dem Kneipenbetrieb und geringen Ansprüchen an Beleucht- und Belüftbarkeit vertragen, über die Anzahl der eingereichten Arbeiten entscheidet allein die KünstlerIn. Drei am Tag, 14 in der Woche — wer weiß?

Schon wenige Tage nach dem Start der Aktion Fluter war die erste Ecke des Raumes ziemlich vollgehängt. Das betrachten die VeranstalterInnen mit Vergnügen. Sind etwa nicht genug Flächen da? Gibt es nicht auch noch die Decken? Und wenn dann alles alles vollgehängt und — gestellt ist — folgt die zweite Schicht, dann die dritte. Gnadenlos übereinander. Darauf und auf Verletzungen der unteren Exemplare müssen sich EinreicherInnen gefaßt machen.

Einige haben Serien von Faxen als Bildergeschichten geschickt. Andere haben Fußsohlen auf den Kopierer gestellt und abgelichtet. GaDeWe-Künstlerin Erika Plamann installiert eine ganze Serie „Billig Barbie“: Schächtelchen, blutig rot bemalt, mit allerlei interessanten weiblichen und auch allesamt blutroten Utensilien: Stöckelschuhe, Stiefelchen, Kämme, Köfferchen. Prompt reagierte eine andere Künstlerin und hängte ein blutiges Taschentuch daneben auf. Dialoge von einem Objekt zum anderen sind erwünscht und besonders interessant. Mechthild Böger hat Klapp- Bilder mit hohem Aufforderungschakakter aufgehängt, Heiko Motschiedler malt mit Aryl auf Blei und wartet auf Oxidations- Effekte. Es gibt vor den Fenstern gardinenähnliche Objekte, es gibt Maiskolben, die gebündelt wie Zöpfe, unter der Decke aufeinander zuzukriechen scheinen. Wer weiß, was inzwischen alles eingereicht wurde? In den Redaktionen spucken die Faxgeräte unausgesetzt Meldungen aus: ein Alptraum ist angekommen, neue Billig Barbies, auch ein Kuss, außerdem 3 Krokodile. Wer eine Idee hat und eine Eintagsproduktion: Nix wie hin ins Kairo, Reuterstr. 9-17, oder in die GaDeWe nebenan, oder nix wie ran ans Fax Nr. 3807999; nicht immer ist besetzt, wg. Überflutung. S.P.