Der Dienstweg zum Computer

■ Umwelt-Staatsrat empört über PC-Beschaffung in der Bremer Verwaltung

Am letzten Freitag gab es im Vorzimmer des Umwelt-Staatsrats Uwe Lahl feuchte Augen. Die gesamte Behördenspitze war versammelt, um zwei Sektkorken auf die glückliche Ankunft eines Personalcomputers knallen zu lassen. Eigentlich hatte Lahl den Plan, seine Büroarbeit mit Computerhilfe zu beschleunigen, schon fast aufgegeben. In einem langen Brief hatte er sich im April beim Finanzsenator bitter darüber beklagt, daß in Bremen „ein in moderner Verwaltung selbstverständliches Hilfsmittel zum Gegenstand einer grotesken bürokratischen Handlungsweise geworden ist, die sicherlich ihresgleichen sucht.“

Gemeint war das Verfahren zur Beschaffung von Personalcomputern in der bremischen Verwaltung. „60 Seiten Anträge“ habe er ausfüllen müssen, erinnert sich Lahl. „Ich habe fast den Eindruck, daß die Kosten des Beschaffungsvorgangs höher sind als der Wert des Beschaffungsobjektes“, schrieb er im April in seinen Brief. Zwei Jahre, so sei ihm mitgeteilt worden, dauere das Verfahren normalerweise, im „Schnellverfahren“ ein Jahr. Die Folge: „Am Ende werden Geräte beschafft, die beim Eintreffen beinahe veraltet sind.“

Als dann Anfang April auch noch der Personalrat im eigenen Haus einen Strich durch Lahls PC-Antrag machte, hätte er fast aufgegeben: „Fast täglich gehe ich an einem Laden vorbei, wo ein Computer im Schaufenster liegt.

Muß nicht mehr auf dem Tisch tippen: Staatsrat LahlFoto: Vankann

Jedesmal wird mein Verlangen größer, den Laden zu betreten und im Rahmen einer gezielten Regelverletzung dem Unfug symbolisch ein Ende zu setzen“, heißt es in seinem Brief. Sein Vorschlag zur Entbürokratisierung: Personalcomputer sollten künftig — wie anderes Büromaterial auch — von jedem Ressort in eigener Verantwortung gekauft werden. Die zentrale EDV-Abteilung in der Senatskommission für das Personalwesen (SKP) wäre dann nur noch für eine qualifizierte Beratung zuständig.

Bei dem neuen für EDV zuständigen SKP-Abteilungsleiter, Henning Lühr, rannte Lahl mit seinem Brief offene Türen ein.

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von dem Mann am

Schreibtisch

„Wir arbeiten schon seit Oktober letzten Jahres an einer solchen Dezentralisierung der EDV-Beschaffung“, sagte er gestern auf Anfrage. Im Bereich des Justizsenators sei damit sogar schon begonnen worden, weitere Behörden sollen demnächst folgen. Immerhin würden Ende 1992 bereits 2.700 Personalcomputer in Bremer Amtsstuben stehen — sechsmal mehr als 1988. Und die Bearbeitungsfrist für Computer-Wünsche betrage heute nur noch zwei bis drei Monate.

Ganz glücklich ist der Umwelt- Staatsrat allerdings trotz PC noch immer nicht. Vor Inbetriebnahme verlangt nämlich eine Dienstvereinbarung aus dem Jahr 1986 von seiner Mitarbeiterin erstmal eine vierwöchige Schulung. „In der ersten Woche ging es da nur um Arbeitsschutzmaßnahmen und den Inhalt dieser Dienstvereinbarung“, klagt Lahl. Dieser Schulungspflicht müßten sich sogar Mitarbeiter unterwerfen, die seit Jahren zu Hause mit Computern arbeiten.

„Wir gehen davon aus, daß viele trotzdem die Funktionen eines Computers gar nicht richtig nutzen“, begründet Henning Lühr die umfassende Schulungspflicht. Gerade männliche Chefs würden ihren Mitarbeiterinnen gerne in die Tasten hauen, „dabei passiert dann viel Mist“, weiß er. Und während vor einigen Jahren die Hauptaufgabe der EDV-Schulungen noch darin bestanden habe, die Beamten vorsichtig vom Nutzen eines Computer-Arbeitsplatzes zu überzeugen, gebe es inzwischen eine richtige Technikeuphorie — „da gehört es auch zu unseren Aufgaben, über die Belastungen der Bildschirmarbeit zu informieren“, so Lühr.

Die ganze Aufregung um seinen Kleincomputer hätte Umwelt-Staatsrat Lahl sich übrigens sparen können, wenn er sich an den Ratschlag des Genehmigungs-Referenten, Kurt Friedrich, gehalten hätte: „Er hat das auf dem normalen Dienstweg versucht“, erklärte der gestern die lange Wartezeit, „er hätte es lieber wie sein Senator Fücks machen sollen. Der hatte nach zwei Tagen einen PC auf dem Tisch stehen.“ Dirk Asendorpf