Heißer Herbst gegen den Karenztag

■ Gewerkschaften kündigen verstärkte Proteste gegen Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall an/ SPD-Bundesgeschäftsführer Blessing: „Blaumacher sollen nacharbeiten“

Bonn (ap) — Die Gewerkschaften haben am Wochenende mit verschärften Protesten gedroht, sollte die Bundesregierung ihre Absicht nicht aufgeben, zur Mitfinanzierung der Pflegeversicherung einen Karenztag bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einzuführen. Dagegen verteidigte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, die Regelung als notwendig und zumutbar.

Der DGB bereitet nach Angaben seiner stellvertretenden Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer „großangelegte Protestaktionen“ vor. Der Plan der Bundesregierung sei einer der schlimmsten Angriffe auf die Gewerkschaftspolitik in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Tarifexperte der IG Metall, Klaus Zwickel, kündigte an, die Protestaktionen der Arbeitnehmer würden nach der Sommerpause verschärft, falls die Bonner Koalition den Plan zur Finanzierung der Pflegeversicherung über einen Karenztag bis dahin nicht vom Tisch genommen habe. Der Gewerkschafter wies darauf hin, daß nach einer Änderung des Gesetzes über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall die entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen nur noch für 50 Prozent der Beschäftigten gelten würden. Diese Spaltung der Arbeitnehmer werde man nicht zulassen. Auch der CDU-Finanzexperte Christian Neuling sprach sich gegen einen Karenztag aus, weil er in die Tarifautonomie eingreife.

SPD-Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessing regte an, zur Finanzierung der Pflegeversicherung die Sparförderung einzuschränken oder abzuschaffen. Als Alternative zum Karenztag schlug er vor, „Blaumacher“ sollten ihre Fehlzeiten künftig nacharbeiten. „Eine paritätisch besetzte Kommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern soll die Krankmeldungen in den Betrieben untersuchen, um die Fehlzeiten zu senken“, sagte Blessing. Man könnte den bisherigen Montags- oder Freitagsblaumachern „offiziell einen freien Tag anbieten, wenn die Stunden an anderen Tagen nachgearbeitet werden“.

Dagegen sagte Schäuble, um die vorrangige Aufgabe der Fürsorge für pflegebedürftige Menschen und ihre Familien meistern zu können, müßten an anderer Stelle des „etwas üppig“ gewordenen sozialen Sicherungssystems „Elemente der Selbstbeteiligung“ eingeführt werden. So wie in der Gesundheitsreform solle die Selbstbeteiligung auch bei der Lohnfortzahlung eingeführt werden. „Jedermann weiß, daß der Krankenstand am Montag und Freitag sehr viel höher ist als an anderen Wochentagen. Warum um Himmels willen, soll es unzumutbar sein, zu sagen, daß eben im Krankheitsfalle dann eine Eigenbeteiligung des Versicherten eingeführt werden soll in der Form, daß er sich einen Tag Urlaub anrechnen lassen soll?“ meinte Schäuble.