Olympische Sporthallen unter Gullydeckeln?

■ Dominique Perrault aus Paris gewinnt Architektenwettbewerb für olympische Schwimm- und Radsporthalle/ Die Sporthallen sollen unter der Erde verschwinden/ Die Größe des Areals ist wenig stadtverträglich/ Der Baubeginn ist für 1993 geplant

Berlin. Berlin vergräbt seine olympischen Sporthallen. Nach der Jury- Entscheidung am Wochenende, die geplanten Box- und Judohallen im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark unter künstlichen Hügeln des nahen »Mauerparks« verschwinden zu lassen, sollen auch die Schwimm- und Sprunghallen sowie das Velodrom in die Tiefen des Erdreichs abgesenkt werden. Die beiden »eleganten Arenen« des französischen Architekten Dominique Perrault (Paris), so die Beurteilung des Preisgerichts gestern unter dem Vorsitz des Berliner Baumeisters Christoph Langhof, »würden auf sehr intelligente Weise öffentliche Großbauten in die bestehende Stadtstruktur integrieren«. Der Wettbewerb war von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen ausgelobt worden. Tribünenplätze und Wettkampfbahnen, Zugänge, Foyers, Umkleide- und Pressekabinen der Schwimm- und Radhalle werden unter die Erde gebannt. Die Bauten geben sich scheinbar olympia- und stadtverträglich. Ihr Standort ist zentrumsnah und hat eine verkehrsgünstige Lage. Der Hallenkomplex soll großzügig gestaltete Grünanlagen erhalten, die mit den umliegenden Volksparks vernetzt werden. Damit werde der Wettbewerbsentwurf, trotz des großen Volumens, dem Thema »urbane Spiele« gerecht, frohlockte Bausenator Wolfgang Nagel.

Die Schwimm- und Sprunghalle, die Radsport- und Judohalle sollen von der Olympia-Sportstätten-Bau GmbH unabhängig von der Entscheidung der Spiele 2000 errichtet werden. Zweifellos nehmen die beiden Sportbauten Perraults auf dem Gelände der Werner-Seelenbinder- Halle in Prenzlauer Berg — wenn nicht durch Höhe — doch immensen Einfluß auf die bestehende Stadtstruktur. Die existierenden Sportplätze werden überbaut. Die Arenen mit einer Zuschauerkapazität von 10.000 Sitzplätzen für die rechteckige Schwimmhalle und 9.500 Plätzen im Oval der Radsporthalle lassen zwar einzig ihre flachen Dachkonstruktionen oberirdisch sichtbar werden. Allein die Größe des Geländes, in dem sie versteckt werden, wirkt monumental genug. Der Entwurf wirkt zudem wie ein artifizielles Feld aus geometrischen Alleen und abstrakten Formen, die in der Aufsicht gußeisernen Gullydeckeln oder Mikrochips ähnlich sehen.

Die Bauten sind nur scheinbar unsichtbar gemacht. Perrault will das gesamte Werner-Seelenbinder- Areal mit einem sechs Meter hohen Betonplateau (460 mal 200 Meter) überdeckeln, auf das hinauf gigantische Treppenanlagen führen. Von dem mit Obstbäumen bepflanzten Feld steigen Treppen wieder hinunter in die Hallengruften. An das rund 480 Millionen Mark teure Projekt sollen entlang der Storkower Straße sechs Dienstleistungs- und Wohntürme anschließen, für die noch private Investoren gesucht werden.

Sichtlich erholt nach der Investorenpanne, die der olympischen Mehrzweckhalle an der Chausseestraße vorerst den Garaus gemacht hat, zeigte sich Bausenator Nagel bei der Präsentation: Innerhalb weniger Tage seien nun Voraussetzungen für die »Sportstadt Berlin« geschaffen worden. Er hoffe, daß die »Wettbewerbsentscheidung international Aufsehen erregen« werde. Mit Dominique Perrault habe Berlin einen der bekanntesten und meistdiskutierten Architekten Europas (Perrault baut in Paris derzeit die Bibliotheque de France) für den Bau der Sporthallen gewinnen können. Unabhängig von der Entscheidung des IOC über die Vergabe der Spiele 2000, so Nagel weiter, werden die Planungen zur Verbesserung der sportlichen Infrastruktur Berlins beitragen. So sei in der Auslobung bereits der Rückbau der Zuschauerkapazitäten sowie der Umbau für die Bedürfnisse des Bezirks vorformuliert worden. Nagel rechnet 1993 mit dem Beginn der Baumaßnahmen. Der von der Senatsverwaltung für Soziales gleichzeitig ausgelobte Paralympics-Preis ging an das Architektenbüro Allmann, Sattler und Wappner aus München. Rolf R. Lautenschläger