Ökologisch-pharmazeutische Beziehungskiste

Deutsche Version des Öko-Magazins 'World Watch‘ wird vom Pharmakonzern Schering gesponsert  ■ Von Ulla Küspert

An Themen wie Umweltvergiftung, Ozonloch, Klimakatastrophe, Rohstoffkrise geht heute kaum ein Presseorgan vorbei. Zu offenkundig ist der Druck der Probleme. Reine Öko- Publikationen, früher Vorreiter, nun eher Zusatz-Organe, haben es deshalb inzwischen schwer.

Dennoch fehlte auf dem deutschen Markt bisher das beste, was es weltweit an Umwelt-Analysen gibt: die Ergebnisse des renommierten „World Watch Institute“ in Washington D.C., das seit 1975 das Zusammenwirken von ökologischen und ökonomischen Entwicklungen auf der ganzen Welt untersucht. Der Öko-Test Verlag ('Öko-Test‘) schloß diese Lücke jetzt. Zum Umweltgipfel in Rio de Janeiro brachte er erstmals das 'World Watch Magazine‘ in deutscher Sprache als Zweimonatsschrift heraus, „weil es vergleichbare Informationen auf dem Medienmarkt nicht gibt“. Das „globale Umweltmagazin“ verspricht, „sowohl weltweite ökologische Zusammenhänge wie auch nationale Erkenntnisse und Lösungsschritte“ darzustellen. Das ehrgeizige Projekt, das auf seine Auflagenchancen bei 30.000 verkauften Exemplaren in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg einstuft, ist— bei einem Einzelpreis von 7 Mark (Jahres-Abo: 40 Mark) — ein reines Verlustgeschäft, das sich der kleine Frankfurter Verlag mit nur rund 6 Millionen Mark Jahresumsatz nicht leisten kann. Die ansonsten übliche Finanzierung durch Werbung hat der Öko-Test-Verlag von vornherein ausgeschlossen: „Ökologisch oder ethisch umstrittene Anzeigenwerbung würden störend auf das inhaltliche wie das gestalterische Gesamtkonzept wirken.“

Die als integer geltenden Öko-Tester gingen daher, gewappnet mit dem Kriterien-Katalog des BUND für Sponsoren-Kooperation, auf die Suche nach einem Zahlmeister. Ausgerechnet in der verrufensten Ecke industrieller Umweltsünder schlossen sie den Zweckverbund: bei dem in Berlin ansässigen internationalen Pharmakonzern Schering (140 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, 27.000 Beschäftigte, 6 Milliarden Mark Jahresumsatz) machten sie eine „nachvollziehbare, glaubwürdige ökologische Orientierung des Unternehmens“ aus — oder doch zumindest die positiven Ansätze dazu. Immerhin verfügt die Firma über eine eigene „Ethik-Kommission“, und Umweltschutz-Fragen gehören zum Management-Training.

Die Risiko-Beziehung, an die „besonders strenge Maßstäbe angelegt werden müssen“, wird beiderseits mit Stolz betrachtet. Öko-Test: „Weil sich die Wirtschaft dem ökologischen Sachverstand nicht mehr verschließen kann“. Der Sponsor: weil er „ein natürliches Interesse an Forschung und Information zu ökologischen Zusammenhängen, insbesondere zu Bevölkerungsentwicklung und Familienplanung“ habe. Mit der ungewöhnlichen Verbindung, so die World Watcher, seien allerdings auch Langzeitfolgen verbunden: „Die Öffentlichkeit wird aufgrund dieses Umweltengagements Anforderungen an das Unternehmen stellen und jede Aktivität der Firma an ihren Leitsätzen messen. An das Ergebnis dieses Prozesses werden von uns hohe Erwartungen geknüpft.“ Verurteilt wird das gemeinsame Engagement von 'Öko- Test‘ und dem Pharma-Multi von Schering-GegnerInnen, die sich im „Schering-Aktions-Netzwerk“ (SchAN) zusammengeschlossen haben. Wie der SchAn-Vertreter Ralf Störmer auf der Hauptversammlung der Schering AG Anfang Juni in Berlin sagte, sei dies „ein plumper Versuch, sich ein ökologisches Image zu verschaffen“. Mit der Verkündung von „Umweltleitlinien“, der Herausgabe von „Umweltmagazinen“ und der „oberflächlich demokratischen Beteiligung der Öffentlichkeit durch Meinungsumfragen“ versuche Schering den Eindruck zu erwecken, daß der Konzern sich seiner Verantwortung für ökologische Fragen bewußt sei. Dies sei bloße „Verschleierung“ angesichts von „Giftmüllverbrennung und Bodenverseuchungen sowie der Vermarktung von umwelt- und gesundheitsgefährdenden Produkten“.

Die SchAN-Leute stellen weiter fest, daß das „World Watch Institute“ eine wichtige Rolle „bei den Bemühungen der Politik spielt, der Ausbeutung und Unterwerfung der Menschen in der sogenannten Dritten Welt unter neuen, ökologischen Vorzeichen eine moralisch-ideologische Rechtfertigung zu verschaffen“. „Überbevölkerung“ sei das Stichwort, bei dem die Interessen des Verhütungsmittel-Herstellers Schering deutlich würden. Das mache auch dessen Anzeige in der ersten Ausgabe des 'World Watch Magazine‘ deutlich. Dort heißt es, daß Schering ein „natürliches Interesse an Forschung und Information [...] insbesondere zur Bevölkerungsentwicklung und Familienplanung“ habe.