Rußland erhält den ersten IWF-Scheck

IWF-Direktor Michel Camdessus sagte die Auszahlung der ersten Kredittranche über eine Milliarde US-Dollar aus dem Hilfspaket zu/ Russisches Reformprogramm überzeugt aber weder G-7 noch IWF  ■ Aus München Donata Riedel

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist bereit, die erste Milliarde eines internationalen 24-Milliarden- Dollar-Kredits an Rußland im August auszuzahlen. Das sagte IWF- Direktor Michel Camdessus am Sonntag abend nach seinen Gesprächen mit dem russischen Premierminister Jegor Gaidar in Moskau.

Anschließend jettete Camdessus weiter zum Weltwirtschaftsgipfel nach München, um den Regierungen der sieben reichsten Industriestaaten (G-7) über die russischen Pläne zum Abbau des Haushaltsdefizits zu berichten. Zu den G-7 gehören die USA, Japan, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) äußerte sich gestern nach einem Gespräch mit dem IWF-Direktor erleichtert darüber, daß wieder Bewegung in die Verhandlungen zwischen Rußland und dem Internationalen Währungsfonds gekommen sei.

Am vergangenen Wochenende hatte Präsident Boris Jelzin dem IWF vorgeworfen, die bereits auf der IWF-Frühjahrstagung zugesagten Hilfsleistungen unnötig zu blockieren und von Rußland „einen Kniefall“ zu verlangen (siehe taz von gestern), den Rußland nicht zu leisten bereit sei. Trotz der massiven Vorwürfe Jelzins gelang es Gaidar jedoch, den IWF von der politischen Notwendigkeit einer ersten Überweisung zu überzeugen.

Außerdem, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Gaidar und Camdessus, habe man sich auf einen „Maßnahmenkomplex“ für die Wirtschaftsreformen verständigt. Einzelheiten dazu wurden jedoch nicht bekanntgegeben. Offenbar braucht die Pro-West-Fraktion innerhalb der russischen Regierung dringend einen vorzeigbaren Erfolg gegenüber den linkskonservativen Kräften, die ihren Einfluß in den vergangenen zwei Monaten wieder vergrößert haben.

Die G-7-Länder sehen sich in München gegenüber Jelzin zunehmend in einer ähnlichen Situation wie vor einem Jahr in London gegenüber Gorbatschow. Das — damals sowjetische, heute russische — Reformprogramm überzeugt weder den IWF noch die G-7, die als Geberländer das Geld schließlich aufbringen müssen. Hinzu kommt, daß Gaidars neues Stufenprogramm für Wirtschaftsreformen gerade vom russischen Parlament auf die lange Bank geschoben wurde.

Die G-7 fordern von Rußland, zunächst Strukturen zu schaffen, die einen effizienten Einsatz der Dollar- Milliarden ermöglichen. Die erste Milliarde soll jetzt, so Camdessus, dazu dienen, genau diese Strukturen zu schaffen. Bis Ende des Jahres könnten dann weitere drei Milliarden Dollar an Krediten ausgezahlt werden. Nach einem Treffen am Sonntag kündigten Bundeskanzler Helmut Kohl und der italienische Ministerpräsident Giuliano Amato an, sich gemeinsam dafür einzusetzen, daß das Hilfspaket für Rußland freigegeben wird.

Das 24-Milliarden-Paket, auf dessen Finanzierungsmodalitäten sich die G-7-Länder vor zwei Wochen verständigt haben, muß auf dem Wirtschaftsgipfel bis Mittwoch noch einmal offiziell bestätigt werden, was hier in München jedoch als sicher gilt. Vorbehalte gegen finanzielle Hilfen an Rußland äußerten allerdings die Japaner, die auch weiterhin auf die Rückgabe der Kurileninseln als Bedingung beharren. Ein Sprecher der japanischen Delegation sagte aber zu, daß Japan die verabredeten 15 Prozent am internationalen Hilfspaket zahlen werde.

Gleichzeitig vertrat er vor JournalistInnen die Position, daß es nur noch um elf Milliarden Dollar gehen könne: Von den 24 Milliarden seien zunächst die sechs Milliarden Dollar abzuziehen, die für einen Rubel-Stabilisierungsfonds vorgesehen sind, sowie alle Kosten, die den Gläubigerländern wegen der immer ausgedehnteren Schuldenmoratorien entstehen würden.

Zurückhaltend äußerte sich auch Finanzminister Waigel gegenüber einem weiteren Zahlungsaufschub für die russische Schuldenlast von 74 Milliarden Dollar. Die Bundesrepublik hat an der bisherigen GUS-Hilfe einen Anteil von 55,3 Prozent. Ein neues Schuldenmoratorium von zwei Jahren, das Jelzin gefordert hat, käme die Deutschen also deutlich teurer zu stehen als die anderen G-7- Staaten. Prinzipiell sei er aber bereit, weiter „an Erleichterungen mitzuarbeiten“.