Der Wall gegen die Szene

■ Geschäftsleute Am Wall melden Drogenkriminalität / „Massiv vorgehen“

„Sie geben mir 20 Mark, und ich verlasse dafür ihren Laden.“ Das faire Angebot eines abgebrannten Junkies, lieber mit einem grünen Schein das Weite zu suchen, als kristallene Leuchter oder Meissner Porzellankännchen mitgehen zu lassen, konnte den Geschäftsinhaber vom Wall — der lieber anonym bleiben will — nicht entzücken. „Gegen die muß man ganz massiv vorgehen“, erklärt er, „denn wenn einer beim Klauen in unserem Geschäft erfolgreich war, spricht sich das sofort in der ganzen Drogenszene herum.“ Um einen Ansturm klaufreudiger Junkies aus den Wallanlagen zu verhindern, müsse er notfalls eben auch handgreiflich werden, und den potentiellen Dieb am Kragen aus dem Geschäft befördern: „Die Spielregeln sind da ganz massiv.“

Schließlich soll die feinere Kundschaft des schmucken Bremer Einkaufmeilchens nicht durch Anwesenheit und Umtriebe der unfeinen Drogenszene abgeschreckt werden. Wer will schon für teures Geld dort einkaufen, wo zweifelhafte Gestalten die Ware unter Pullovern und Mänteln verschwinden lassen? Ein hysterischer Geschäftsführer spricht bereits davon, daß die Kaufleute am Wall sich demnächst bewaffnen müßten, um sich vor dem diebischem Andrang aus der unmittelbaren Nachbarschaft zu schützen. Einige Läden am Wall ließen sich bereits Überwachungskameras am Eingang installieren, andere öffnen ihre Tür überhaupt nur auf Klingelzeichen und Gesichtskontrolle. „Die Drogenabhängigen erkennen wir sofort — die gehören nicht zu unserem Kundenpotential“, erklärt eine Porzellanverkäuferin, „die lassen wir dann nicht aus den Augen und befördern sie durch energisches Auftreten aus dem Laden.“ Denn: „Sobald sie spüren, daß sie Oberwasser bekommen, wird es bedrohlich.“

In den verführerischen Auslagen der Luxusgeschäfte können sich die Junkies schon mal die Objekte ihrer Begierde aussuchen, bevor sie zugreifen. „Oft werde ich regelrecht beobachtet, bevor sie ins Geschäft kommen“, berichtet eine Ladeninhaberin, „deshalb schließe ich meist den Eingang ab, wenn ich alleine hier bin.“

„Ich gehe gleich an die Tür und sage: Ich habe kein Gold“, erzählt der Besitzer des Bernsteinladens am Wall, Günter Hohenester, „aber die Junkies machen es nur ungeschickter als andere und fallen beim Klauen leichter auf. Richtig gefährlich sind die, denen man es nicht ansieht.“ Und auch von denen gibt es jede Menge, „sogar Stammkundschaft“, flüstert eine Geschäftsinhaberin hinter vorgehaltener Hand. „Wir neigen dazu, diese Diebstähle zu übersehen. Jemandem sagen zu können „Sie haben geklaut“, ist ein langer Lernprozeß.“ Aber mit den DiebInnen der besseren Gesellschaft hat sich die Geschäftswelt längst arrangiert und meint dazu: „Ein gewisse Anzahl von Ladendiebstählen müssen wir immer einkalkulieren.“ — Ein kleiner Trost: Wenigstens kann man den Klauschaden von der Steuer abschreiben. sim