Die Knef, das Stasi-Schloß, der Fettnapf und ich

■ Die große Abendserie für unsere Senioren ist fertiggestellt/ Der WDR lud zur Vorbesichtigung in ein bezauberndes Schlößchen

Die Nacht, in der der große Regen fiel, hatte für uns verheerende Folgen. Mitten im schönsten Schauer holte einer diesen polnischen Büffelgraswodka aus dem Kühlschrank. Stunden später saßen wir völlig verschwiemelt in einem Kleinbus, umgeben von lauter Fernsehstars und Journalisten, hielten unseren Magen sorgsam unter Kontrolle und blickten aus wehen Krötenaugen in die brandenburgische Landschaft. Der WDR hatte zur Präsentation seiner neuen großen Abendserie Ein Haus am See nach Schloß Dammsmühle bei Schönfließ geladen.

Solchen Aufforderungen leisten wir naturgemäß gern Folge. Man kommt mit illustren Persönlichkeiten ins Gespräch, vergnügt sich am Buffet und bekommt die allerneuesten Filme zu sehen, ohne einen Pfennig zu zahlen. Diesmal aber sollte ich für diese Freuden teuer bezahlen.

Vornehm bleich und kalkweiß

Der warme Empfang mit Sekt und schmackhaften Häppchen stimmte uns zunächst günstig auf die folgenden Ereignisse ein. Nicht weniger erfreulich war die Entdeckung, daß die einzigen Personen mit Kopfbedeckung Hildegard Knef und ich waren. Sie trug einen ausufernden dunkelblauen Strohhut, ich meine bewährte Black-Spot-Baseballmütze. War sie vornehm bleich geschminkt, trug ich meine kalkweiße Haut zu Markte.

Alle anderen sprangen sonnengebräunt, jung und dynamisch herum, scherzten hier, schwatzten dort, trollten sich schließlich zum Fototermin auf die Schloßtreppe. Die Fotografen arrangierten Hildegard, Ursela Monn, Ingrid van Bergen, Eleonore Weisgerber und all die anderen in den gewagtesten Posen, während die vorbeispazierenden Senioren kurz vor dem Herzschlag standen. Das Schloß übrigens, 1768 erbaut, war zuletzt ein schmuckes Objekt der Stasi, das als Gästehaus für Politprominenz aus aller Welt diente. Außerdem liefen hier alle Telefongespräche Westberlins in den Abhörstudios der Stasi und des KGB zusammen.

Und nun hat dort der WDR in 130 Drehtagen eine Serie von elf Folgen plus Pilotfilm geschaffen, die das Innenleben einer Seniorenresidenz beleuchtet. Ab September auch bei Ihnen in der ersten Reihe, dienstags um 20.15 Uhr.

Nach einer Tasse Kaffee, die in meinen Innereien wie eine Bombe einschlug, wurden wir also alle in den Vorführraum eingeschlossen. Nun, man hatte an nichts gespart.

Man hatte an nichts gespart

Drehbuch Peter Märthesheimer und Pea Fröhlich, Regie Ilse Hofmann und Maria-Theresia Wagner. Die Geschichte ist der bekannte muntere Reigen von bewährten Standard- Personen, die wir aus allen Serien kennen.

Der verständnisvolle Heimleiter, das lustige Hausmeisterpaar, die große alte Dame, die komischen Zwillinge, der böse Neuzugang. Probleme und Konflikte, Liebe und Lacher. Klischees, teilweise gut gegeben; streckenweise witzige Dialoge; insgesamt kein Straßenfeger. In einem Tempo gehalten, das keinen Frührentner überfordern dürfte. Meine technische Begleiterin fiel durch ihr ungeniertes Schnarchen gegen Ende der Vorführung auf.

Das Pressegespräch verlief angesichts des wartenden Buffets in angenehmer Harmonie. Auch knallharte Fragen wurden gelassen beantwortet. Produktionskosten? 750.000 pro Folge. Zielgruppe? Alle. Warum Seniorenresidenz? Tabuthema, Bewußtseinsbewegung, wir werden alle älter. Hin und her flogen die Beiträge, die Formulierungen, alles in heiterster Stimmung. Bis mir die Frage entschlüpfte, ob die Schauspieler Spaß hätten, in solch betulicher Serie mitzuwirken.

Das Buffet mochte nicht mehr schmecken

Genauso gut hätte ich Hildegard Knef aufs Dekolleté kotzen können. „Betulich ???“ echote die gesammelte Mannschaft empört. Könnten Blicke töten, weilte ich nicht mehr unter Euch. Wären Handfeuerwaffen greifbar gewesen, liefe ich nun als wandelndes Sieb herum. Stotternd, hochrot, zutiefst beschämt flehte ich um Vergebung, wies auf meinen polnischen Büffelgras-Kater hin und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen.

Aber das Buffet mochte nun niemandem mehr schmecken. Einmal an der Tapete gekratzt, es ist nicht wieder gutzumachen. Denn merke: Auch die Macher einer betulichen Fernsehserie scheuen vor der Wahrheit zurück. Aber dennoch hat sich Olga ganz köstlich amüsiert. Olga O'Groschen