Zur Resignation ist es noch zu früh-betr.: "In der Sackgasse" von Bernd Ulrich, taz vom 23.6.92

betr.: „In der Sackgasse“ von Bernd Ulrich, taz vom 23.6.92

Bei aller Zustimmung zu Bernd Ulrichs Analyse kritisiere ich, daß seine Handlungsvorschläge auf ökologische Sparprogramme und eine Verknappung der Ressourcen hinauslaufen. [...] Wo es fehlt und wo Mangel herrscht, ist das nicht auf natürliche Knappheit zurückzuführen, sondern auf ungerechte gesellschaftliche Strukturen und in den meisten Fällen auf von Menschen verursachte Katastrophen, Krieg oder Raubbau.

So ist die ökologische Krise eine soziale und politische Krise, der wir nicht durch die Forderung nach Verzicht und Verknappung beikommen können. Sie ist quantitativ nicht zu fassen, wie es Ulrich ja auch bei seinem Hinweis auf die soziale Frage zugesteht. Soziale Probleme lassen sich nicht dadurch lösen, daß den Benachteiligten mehr Geld gegeben wird, sondern es geht noch viel mehr um Arbeitszeit, die Qualität der Arbeit, Verantwortung und Freiheit.

Ebenso sperrt sich die Ökologie gegen die Quantifizierung, und ihre Krise ist nicht durch Begrenzung der Schadstoffemissionen und Müllberge oder durch Einsparen von Ressourcen und Vergrößern von Naturschutzflächen abzuwenden, sondern wir stehen vor der Herausforderung, eine neue Kultur des Zusammenlebens und des Wirtschaftens zu entwickeln, in der die ausreichend vorhandenen Güter so genutzt werden, daß niemand zu kurz kommt und daß nichts unwiederbringlich zerstört wird. Statt Knappheit bietet die ökologische Gesellschaft vielleicht einen Überfluß an Zeit, Lebensfreude, guten sozialen Beziehungen und freier schöpferischer Tätigkeit.

Die Aufgabe der Ökologen wäre es nach meiner Auffassung, nicht nur mit guten Argumenten für die ökologische Gesellschaft zu werben, sondern das, was sie sich vorstellen, in neuen, ökonomisch fundierten Lebenszusammenhängen schon vorzuleben. Dafür gibt es ja schon eine Menge von Ansätzen und Projekten, die noch gefördert und vernetzt werden sollten. Die Auseinandersetzung mit den vorherrschenden Trends und der gesellschaftlichen Macht wird dabei nicht ausbleiben, nur soll sie mit einem neuen Selbstbewußtsein geführt werden. Die Ökologen sollten endlich aufhören, hinter den von der Staatspolitik vorgegebenen Ereignissen atemlos hinterherzulaufen oder sich für faule Kompromisse und Beschwichtigung mißbrauchen zu lassen.

Für die ökologische Wende können wir uns engagieren, wir können sie aber nicht erzwingen. Der Erfolg hängt von einer wachsenden Einsicht bei einer größeren, nicht zu übersehenden Zahl von Menschen ab. Wenn es auch zur Zeit nur geringe Anzeichen dafür gibt, ist es zur Resignation noch zu früh. Jörg Schulz-Trieglaff, Uslar