Siegen für Vati Fidel

■ Nach zwölfjährigem Entzug fährt die letzte sozia- listische Sportgroßmacht Kuba wieder gen Olympia

Kuba in diesen Tagen: Das Benzin ist rationiert. In den Straßen sieht man fast nur noch chinesische Fahrräder. Chevys und sogar Ladas sind selten geworden. Fisch und Fleisch gibt es nur noch an hohen Feiertagen. Das nationale Selbstwertgefühl leidet. Da kommt der Sport gerade recht. Nach zwölfjähriger Pause nimmt Kuba erstmals wieder an den Spielen teil. Seit Kuba bei den Panamerikanischen Spielen 1991 ausgerechnet die USA im Baseball schlug, sind US-Funktionäre in ihrem Nationalstolz gekränkt. Bei den Spielen sind zumindest die kubanischen Top- Boxer Hernandez, Savon und Balado für drei Goldene gut. Weltmeister Felix Savon ist Haupthoffnungsträger. Wo er auftaucht, ob in Havanna oder in seiner Heimatstadt, ihn kennt jeder. Niemand hält respektvollen Abstand. Wer Fidel Castros Vorzeigeathleten Glück und Erfolg wünscht und eine harte Hand, wird mit einem strahlenden Lächeln belohnt. Kinder, die ihm einen Ball zuwerfen oder ihm spielerisch ihre kleinen Fäuste entgegenhalten, enttäuscht er selten. Felix Savon ist ein Held zum Anfassen. In seiner Heimatstadt nennt man den Nachfolger der kubanischen Boxlegende Teofilo Stevenson schlicht la esperanza — die Hoffnung von zwölf Millionen KubanerInnen.

Seine Landsleute wollen Savon als triumphalen Sieger aus dem Ring steigen sehen — und ganz besonders gegen die Erzrivalen aus den USA. Savon, der sechsmalige Amateurchampion, versucht vor seinen Fights gelassen und fair zu wirken. Was schwerfällt: Savon wuchs direkt an der Küste auf, da, wo in seiner Jugend direkt vor seinen Augen täglich die US-amerikanischen Kriegsschiffe patrouillierten. „Es ist keine gute Voraussetzung, Freundschaft zu schließen, wenn man von klein auf die Amerikaner sieht, die ihre Waffen auf dein Dorf richten“, erklärt der 24jährige Boxer, der gute Goldchancen schon 1988 in Seoul gehabt hätte. Kubas Boykott stoppte seine Fäuste. Was ihn nicht hindert, über seine politischen Stiefeltern zu sagen: „Mein Vater ist Fidel, meine Mutter die Revolution.“

Nach Savons sensationellem Sieg bei den panamerikanischen Spielen, wurden ihm Millionen Dollar geboten, um im Westen Profi zu werden (und im Nebeneffekt für „Amateur“-Olympia auszufallen). Die Boxwelt fieberte einem Duell mit ihm und Evander Holyfield entgegen. Savon sagte nein: „Sport soll Spaß machen und nicht zum Geschäft werden.“

Auch in Volleyball (Weltcup- Sieger 91), Gewichtheben (Weltmeister 1991 Roberto Lara, Mario Oliveras und Hector Milian), Fechten (WM-Champion 1990 Taimi Chappee) und Leichtathletik (Hochspringer Javier Sotomayor, derzeit mit Jahresweltbesthöhe: 2,36 Meter) und diversen anderen Disziplinen haben die Mittelamerikaner Goldchancen.

Seit den Juegos Panamericanos wettern die US-Medien: Kubas Cracks würden gedrillt, moralisch unter Druck gesetzt und, logo, gedopt. Kubas Körperkultur-Funktionär Jose Rodrigues lacht über solche Vorwürfe und verteidigt sein System. Es diene der Gesundheit der Bevölkerung, sein Land biete jedem und jeder ein kostenloses Breitensportprogramm. Auch in die ärmsten Gebiete sendet die Regierung engagierte Spitzensportler als Lehrer zur Nachwuchsförderung. Der Eintritt für alle Sportveranstaltungen ist frei. Profis gibt es angeblich nicht. „Bei uns“, so Rodrigues, „können sich die Bürger noch mit den Athleten identifizieren“. Und zu den Dopingvorwürfen verweisen Funktionäre wie Rodrigues gern auf die „Dopingpolizei“ des Internationalen Leichtathletik-Verbandes. Die sind seit Februar 1991 mit einem Dauervisum im Lande und konnten bislang noch keinen Mißbrauch feststellen.

Aber deren Suche nach gespritzten SportlerInnen verläuft ja vielerlands nicht anders. Und wenn Kubas AthletInnen tatsächlich reichlich Gold abräumen in Barcelona, wird es auch wieder einmal Fisch und Fleisch geben zu Ehren von la revolución. Kheli Brettner