IWF diktiert Rußland harte Bedingungen

■ Der Internationale Währungsfonds erwartet von Rußland die Senkung des Haushaltsdefizits und der Inflationsrate/ IWF klammert sich nicht mehr an einheitliche Rubelzone und Schuldentilgung

Berlin (taz) — Als Boris Jelzin gestern abend zum Gipfelreffen in Müchnen stieß, erwarteten die Staats- und Regierungschefs der sieben reichsten Industrienationen einen Rechenschaftsbericht. Denn ohne eine Auskunft darüber, mit welcher Entschlossenheit der russische Ministerpräsident die marktwirtschaftlichen Reformen in seinem Land voranbringen will, wollen sie Jelzin nicht mit einem Sack voll Geld davonziehen lassen. 24 Milliarden US-Dollar hatten die G-7-Staaten im Frühjahr der russischen Regierung angeboten. Und seit der Internationale Währungsfonds (IWF) am Wochende eine Unbedenklichkeitsbescheinigung austellte und die erste Kreditrate über eine Milliarde US- Dollar freigab, darf Jelzin auch mit dem Segen der Gipfelteilnehmer rechnen.

Daß es die Milliarden-Hilfe für Rußland dennoch nicht zum Nulltarif gibt, dafür hat IWF-Direktor Camdessus bereits gesorgt. In der Nacht zum Dienstag ließ er durchblicken, auf welche zusätzlichen Bedingungen er sich mit Boris Jelzin geeinigt habe: Einen einheitlichen Rubel- Wechselkurs, eine Reduzierung der Staatsausgaben, eine straffere Geldpolitik sowie weitere Strukturreformen. Er hob hervor, daß darüber hinaus besonders die Bodenreform, ein Bankrottgesetz für die defizitären Staatsbetriebe und ein verstärktes Privatisierungsprogramm für den Transformationsprozeß bedeutsam seien.

Der IWF-Plan sieht in der ersten Stufe, die lediglich einige Wochen in Anspruch nehmen soll, die Regelung von Eigentums- und Investitionsfragen durch die russische Regierung vor. Bis zum Beginn der zweiten Stufe, mit dem nach Angaben Camdessus für Oktober gerechnet wird, soll dann geklärt werden, welche Länder der künftigen Rubelzone angehören und wie diese organisiert wird. Dann werden Rußland auch die entsprechenden Verfügungskredite eingeräumt. Die dritte Stufe, die einen Rubel-Stabilisierungfonds in Höhe von 6 Milliarden US-Dollar vorsieht, wird dagegen erst gestartet, wenn auch die wirtschaftliche Entwicklung eine Stützung der Währung erlaubt. Der vom Westen zugesagte Fonds, so der IWF-Direktor, könne den Rubel nicht stabil halten.

Genau das hatten auch westliche Finanzexperten befürchtet, nachdem Rußland im Mai erstmals einem dirty floating überließ, das in eine Konvertierung führen sollte. Angesichts der nach wie vor starken Nachfrage nach westlichen Devisen, der sinkenden Industrieproduktion und der steigenden Inflation könne es lange dauern, bis der Rubel sein Gleichgewicht gefunden habe.

Daß der IWF für die Hilfszahlungen nicht auf konkrete Gegenleistungen verzichten würde, dürfte auch Boris Jelzin klar gewesen sein. Nach der Einigung mit dem IWF-Vertretern darf das Haushaltsdefizit fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten — gegenwärtig liegt es bei über 17 Prozent. Die monatliche Inflationsrate soll von gegenwärtig 20 zum Ende des Jahres auf höchstens 10 Prozent reduziert werden. Außerdem soll die Subventionierung von Öl und Getreide drastisch begrenzt werden. Doch ob sich diese Zielsetzungen erfüllen lassen, daran haben die Experten noch erhebliche Zweifel.

Dennoch müssen sich die GUS- Staaten nicht ganz der IWF-Knute beugen. Scheinbar hat die internationale Finanzinstitution bereits die Realität des Faktischen anerkannt und pocht nicht mehr, wie noch bei ihrer Frühjahrstagung, auf eine einheitliche Rubelzone und eine Paketlösung bei der Schuldentilgung.

Die Staatschefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten hatten sich am Montag unter anderem auf gemeinsame wirtschaftspolitische Schritte verständigt.

So kann jedes Land nun eigene Währungen einführen; auch über die lange umstrittene Aufteilung der Auslandsschulden wurde eine Einigung erzielt.

Die Staatschefs beauftragten den russischen Präsidenten Boris Jelzin, bei seinem Treffen mit den G-7-Führern über eine Stundung der Auslandsschulden der früheren Sowjetunion in Höhe von 68 Milliarden US- Dollar (rund 103 Mrd. Mark) für zwei Jahre zu verhandeln. „Ich habe das Mandat bekommen, für alle um Schuldenaufschub zu bitten“, sagte Jelzin. Erwin Single