Studium bald ohne Abitur möglich

■ Hochschulen wollen qualifizierte Berufstätige ohne Abi zum Studium zulassen/ Mehr Studienplätze

Bonn (ap/taz) — Künftig soll ein Studium an einer Universität oder einer Hochschule auch ohne Abitur möglich sein. Diesen Beschluß hat die Konferenz der 230 Rektoren und Präsidenten der deutschen Hochschulen (HRK) auf ihrer Plenarversammlung in Bonn gefaßt. Wie HRK-Präsident Hans-Uwe Erichsen gestern erklärte, soll das Studium ohne Abitur von einer Aufnahmeprüfung abhängig gemacht werden.

Bundesbildungsminister Rainer Ortleb hatte sich erst im vergangenen Monat gegen Hochschuleingangsprüfungen ausgesprochen. Die Entscheidung über den Vorschlag liegt letztlich bei den Bundesländern. Wegen des anhaltenden Trends, daß bereits jeder dritte eines Altersjahrgangs ein Studium aufnimmt, schlug die HRK eine generelle Änderung der Studienstruktur vor:

— Das grundständige Studium soll inhaltlich und organisatorisch so ausgestaltet werden, daß es von „durchschnittlich begabten“ Studierenden in der Regelstudienzeit absolviert werden kann. Ziel ist die Berufsfähigkeit in einer bestimmten Fachrichtung, nicht aber die Berufsfertigkeit, die erst in der Praxis am Arbeitsplatz erworben werden kann.

— Das Aufbau- oder Promotionsstudium nach einem erfolgreich absolvierten Grundstudium soll auf eine wissenschaftliche Tätigkeit vorbereiten.

— Ein Weiterbildungsstudium, für das erst ein Konzept erarbeitet werden muß, soll Berufstätigen angeboten werden, die die in der Praxis erforderliche Spezialisierung wissenschaftlich aktualisieren, vertiefen und erweitern wollen.

Umgesetzt werden kann die Strukturreform des Studiums nach Auffassung der HRK nur, wenn auch der Staat seinen Beitrag leistet, indem er die Personal-, Raum- und Sachmittelausstattung der Hochschulen von Grund auf saniert und unter anderem rund 435.000 zusätzliche Studienplätze schafft. Selbst bei erfolgreicher Studienzeitverkürzung werde die Zahl der Studenten in Deutschland mittelfristig nicht unter 1,5 Millionen sinken. Deshalb müsse die Zahl der Studienplätze von jetzt rund 890.000 auf 1,325 Millionen erhöht werden. Im Ergebnis würde dies das Erreichen ursprünglicher Ausbaupläne im alten Bundesgebiet und eine Verdoppelung bis Verdreifachung in den neuen Ländern bedeuten.

420.000 dieser Studienplätze sollten sich nach Überzeugung der HRK an Fachhochschulen befinden. Dies wäre mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem Ist-Zustand. Geplant ist auch, Fachhochschul-Absolventen den Erwerb des Doktor-Titels an einer Universität zu ermöglichen, ohne daß sie zuvor ein universitäres Diplom erwerben müssen. Statt dessen soll die zur Promotion notwendige Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten in einem anderen Verfahren festgestellt werden.