Klare Absage an Sicherungsprogramm

■ Auf dem „Gegengipfel“ TOES kritisierten AtomexpertInnen aus Osteuropa westliche Atomlobby

„Statt auf Technologie zu setzen, mit der Energie eingespart werden kann, setzen die G-7-Staaten auf den Ausbau der Atomwirtschaft in Osteuropa. Sie tun das, ohne die dort lebenden Menschen über die Kosten und Risiken von Atomreaktoren aufzuklären. Dabei ist nicht der Mangel an Energie unser Hauptproblem, sondern ihre Verschwendung.“ Mit diesen Worten erteilte der bulgarische Parlamentarier Lutschear Toschev am Dienstag in München dem Plan der sieben reichsten Nationen, die AKWs in Osteuropa mit viel Geld „nachzubessern“, eine klare Absage. Ihm schlossen sich vier weitere ReferentInnen aus Osteuropa an, die sich im Rahmen des „Anderen Weltwirtschaftsgipfels“ (TOES) an einer Diskussion über die Energiewirtschaft in ihren Heimatländern beteiligten.

In drei Hauptpunkten waren sich die ExpertInnen in ihrer Kritik einig. Ganz oben stand für sie die Sicherheitsfrage. Angesichts der instabilen politischen Lage vor allem in den GUS-Staaten sei es unverantwortlich, weiterhin auf Atomreaktoren zu setzen. „Als sich 1986 die Tschernobyl-Kastastrophe ereignete, hatten wir wenigstens eine funktionierende Regierung. Heute kann keiner mehr garantieren, daß ein verstrahlter Reaktor auch nur mit einem Bleisarg versehen wird“, so der russische Wissenschaftler Igor Altschuler.

Neben der Sicherheit wurde vor allem der ökonomische Sinn der AKWs in Frage gestellt. „Unser Energieverbrauch ist fünfmal so hoch wie in der EG“, betonte Toschev. Das geplante Hilfsprogramm der G-7 richte sich aber nach diesem Niveau, das durch Verschwendung im privaten, wirtschaftlichen und militärischen Bereich viel zu hoch geraten sei. „Das Wichtigste ist für uns heute, Energie zu sparen. Dann könnten wir uns auch die AKWs sparen“, meinte der polnische Atomphysiker Miroslaw Dakowski.

Neue Märkte für Atomindustrie im Westen

Daran hätten die G-7 aber kein Interesse. Ihnen ginge es vor allem darum, ihrer zu Hause diskreditierten Atomwirtschaft neue Märkte zu erschließen. „Osteuropa wird dadurch zum Billiglohnland für die westliche Atomindustrie. Und die Kredite zum Aus- oder Aufbau unserer AKWs brächten uns in die gleiche fatale Schuldenabhängigkeit wie in der dritten Welt“, so Dakowski. In Polen ist derzeit kein AKW am Netz, denn die Regierung entschied sich gegen den Ausbau von Reaktoren sowjetischen Typs. Paxus Calta vom Weltweiten Energie Informationsdienst (WISE) fügte hinzu, die westlichen Atomfirmen strebten eine Teilhabe von 20 bis 30 Prozent bei den Ostreaktoren an. Sollten sie dieses Ziel erreichen, hätten sie einen sehr großen Einfluß auf die Wirtschaft der betroffenen Länder.

Die ExpertInnen wiesen darauf hin, daß in Osteuropa genügend alternative Energien zur Verfügung ständen. In Bulgarien bietet sich Solarenergie an, in Polen könnten Wind und „Biomasse“ (Holzabfälle, Stroh etc.) einen guten Teil des Strombedarfs decken. In der CSFR könnten mit Erdgas 500 Megawattstunden erzeugt werden, die heute Reaktoren produzieren.

In der GUS stehen schließlich alle Formen von alternativer Energie (Sonne, Wind, Wasser, Erdgas und -öl) reichlich zur Verfügung. „Wenn die G-7-Regierungen ihr Geld da hineinstecken würden, bräuchten wir nur ein halbes Jahr, um auf alternative Energien umzusteigen“, erklärte Toschev. „Indem sie die alten Energiestrukturen bewahren wollen, schaden sie uns nur.“ Und Dakowski ergänzte: „Wir müssen den Menschen in Osteuropa klarmachen, daß kleine und saubere Energiezentralen die einzige Zukunftsoption sind.“ Henrike Thomsen, München