INTERVIEW
: „Kein Entkommen mehr“

■ Grüner Stadtrat Siegfried Beer war unter den Festgenommenen/ Fußtritte und Nierenschläge

Beer (34), Vertreter der grünen Münchener Stadtratsfraktion im „Bündnis gegen den Weltwirtschaftsgipfel“, gehörte zu den 482 DemonstrantInnen, die am Montag von der Polizei eingekesselt und festgenommen worden waren.

taz: Wie kam es während der Begrüßungszeremonie der ausländischen Staatsgäste zu dem Polizeieinsatz?

Siegfried Beer: Nachdem eine Gruppe von etwa 100 Leuten begonnen hatte, die Staatschefs mit Parolen und Trillerpfeifen zu empfangen, sind wir sofort von Sondereinsatzkommandos (SEK) und den bayerischen Unterstützungskommandos (USK) abgedrängt und umstellt worden. Anfangs konnte man aus dem Kessel noch raus, dann hat die Polizei den Ring dichter gemacht. Da gab es kein Entkommen mehr.

Wie lange ward ihr eingekesselt, und gab es Übergriffe der Polizei?

Ich bin nach einer Stunde festgenommen worden, andere blieben bis zu zweieinhalb Stunden im Kessel. Immer wieder zogen Stoßtrupps von SEKlern einzelne DemonstrantInnen aus dem Kessel heraus, bis schließlich alle festgenommen waren. Die Leute wurden auf den Boden geworfen, mit Fußtritten und Nierenschlägen bearbeitet und dann in die Ettstraße ins Polizeipräsidium abgeführt. Bei mir war es ähnlich. Ich habe von einem Beamten einen gezielten Faustschlag gegen den Brustkorb bekommen, bin zu Boden gefallen und dann verhaftet worden. Ich habe noch immer Schwierigkeiten beim Atmen, und meine Hand war einen halben Tag lang völlig taub. Die USKler verwenden einen neuen Griff bei der Festnahme. Dabei wird die Hand extrem gegen den Unterarm gedrückt, das ist fürchterlich schmerzhaft. Im Kessel wurden auch DemonstrantInnen, die auf dem Boden lagen, mit Knüppeln geschlagen.

Was geschah auf dem Präsidium?

Teilweise wurden DemonstrantInnen gezwungen, ihre Fingerabdrücke abzugeben. Dann sind wir in Gefangenenbusse gesperrt worden. Jeweils zu viert in eine Zelle mit 1,5 Quadratmeter. Da knallte die Sonne darauf, wir hatten kaum Luft zum Atmen, nichts zu Trinken, und die Verletzten wurden nicht versorgt. Manche saßen dort bis zu fünf Stunden lang. Ich bin nach zwei Stunden rausgeholt und in eine Zelle im Präsidium gesperrt worden. Um 23.15 Uhr bin ich freigekommen. Dabei teilte man mir mit, daß ich mit einer Anzeige wegen Nötigung zu rechnen hätte.

Interview: Bernd Siegler