INTERVIEW
: Rücktritt wünschenswert

■ Sabine Csampai, Münchens grüne Bürgermeisterin, fordert politische Konsequenzen aus dem Polizeieinsatz

taz: „München repräsentiert Deutschland“, hatte Regierungssprecher Vogel als Devise für den Gipfel ausgegeben. Wie klingt der Spruch nach dem Polizeieinsatz vom Montag?

Sabine Csampai: Es wäre sehr unerfreulich, wenn das repräsentativ wäre. Dieser Polizeieinsatz zum Weltwirtschaftsgipfel ist derart überzogen und läßt, wenn man es als Fremder betrachten würde, einen Polizeistaat vermuten. Schon das massive Polizeiaufgebot bei der friedlichen Großdemonstration am Samstag wirkte provokant. Gestern kam dann der Kessel, der vom Polizeipräsidenten Koller angeordnet war. Koller wollte alle Beteiligten der Demonstration gegen die Begrüßungsfeierlichkeiten festnehmen lassen, deshalb war ihm das normale Abdrängen der Protestierenden nicht genug.

War auch geplant, die DemonstrantInnen in „Unterbindungsgewahrsam“ zu nehmen?

Ja, damit die Leute weg sind für die Tage der Feierlichkeiten. Das ist aber Gott sei Dank vom Haftrichter abgeschmettert worden. Es wäre unglaublich, wenn Koller damit durchgekommen wäre, daß Leute sich einer Nötigung strafbar gemacht haben sollen, nur weil sie Kohl gehindert haben, seine Jubelfeier abzuhalten. Wenn das durchgekommen wäre, na dann: gute Nacht. Dann wäre eine Demonstration nicht mehr möglich, ohne sich strafbar zu machen.

Gibt es für das rot-grün regierte München überhaupt eine Möglichkeit, sich gegen eine derartige Polizeistrategie des Freistaats Bayern zu wehren und GipfelgegnerInnen die Chance zu geben, ihren Protest zum Ausdruck zu bringen?

Wir wurden nicht gefragt, ob wir den Gipfel wollen. Wir wurden zu dem Polizeiaufgebot und dem -einsatz nicht gefragt. Das haben Bundesregierung, Kreisverwaltungsreferat und Innenministerium entschieden. Es war nicht einfach, GipfelkritikerInnen in dieser Stadt, deren Gäste sie ja auch sind, Strukturen zu geben, um sich zu treffen. Oberbürgermeister Kronawitter hat sich bekanntermaßen von der Hysterie anstecken lassen, hier würden Gewalttäter gebündelt nach München reisen, um hier Rabatz zu machen. Kronawitter meinte, Gewalttätern dürfe man kein Forum geben. Der Meinung bin ich auch, nur war ich überzeugt davon, daß die nachdenklichen Stimmen der GipfelgegnerInnen zur Sprache kommen sollten. Die Stadt hat ihnen immerhin am Sonntag ein Zentrum zur Verfügung gestellt.

Wird der Polizeieinsatz Folgen haben?

Wir verlangen auf jeden Fall ein Nachspiel. Die Polizei ist aber nun einmal nicht kommunal, deshalb sind unsere Einflußmöglichkeiten gering. Wir haben aber als Fraktion Strafanzeige gestellt gegen Innenminister Stoiber, gegen Innenstaatssekretär Beckstein und gegen Koller, weil die Mittel einfach unglaublich sind, die hier gegen Demonstranten eingesetzt worden sind, die sich auf das Rufen von Parolen und das Betätigen von Trillerpfeifen beschränkt hatten.

Der Hamburger Polizeichef Honka hat nach dem Hamburger Kessel sein Amt niederlegen müssen. Ist so was in München illusorisch?

Wünschenswert wäre es, für möglich halte ich es in Bayern bei der Regierung nicht. Das ist meine pessimistische Sicht auf diesen bayerischen Filz.

Interview: Bernd Siegler