Atomlobby zerbeißen

■ Ärzte untersuchen die Radioaktivität in Zähnen/ Aufruf zur Abgabe von Untersuchungsmaterial

Berlin. Wer einen Zahn verliert, denkt gewöhnlich nicht darüber nach, wie radioaktiv belastet die damit zerkleinerte Nahrung gewesen sein mag. Genau das aber kann an Zähnen untersucht werden: die »Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung« tun es gegenwärtig.

Am Otto-Hug-Strahleninstitut (Uni München) werden die Beißerchen gefriergetrocknet, zerkleinert und in Salzsäure aufgelöst, um dann den Gehalt an dem radioaktiven Strontium 90 zu messen. Das Strontium entsteht bei friedlicher wie kriegerischer Nutzung der Atomenergie. Durch oberirdische Atombombentests und Reaktorunfälle kommt es über die Luft in die Nahrungsmittelkette. Da der menschliche Organismus Strontium 90 nicht vom Kalzium unterscheiden kann, gelangt der radioaktive Stoff in Zahnschmelz und Knochen. Weil Zähne nur während des Wachstums Kalzium (bzw. Strontium 90) benötigen, kann man schließen, ob und wann der zum Zahn gehörende Mensch erhöhter radioaktiver Belastung ausgesetzt war.

An den Milchzähnen von Kindern, die jetzt etwa sechs Jahre alt sind, wird man die Katastrophe von Tschernobyl »ablesen« können. Eine derartige Untersuchung, die von den Anti-Atomkriegs-Ärzten in Berlin und Ulm begonnen wird, gab es bisher nur in den USA — vor 30 Jahren. Sie führte dazu, daß die oberirdischen Atombombentests eingestellt werden mußten. Bei dem aktuellen Vorhaben geht es um eine Vergleichsabschätzung: Auch in Weißrußland — dem von der russischen Reaktorkatastrophe am schwersten betroffenen Gebiet — werden Zähne untersucht. Mit Hilfe der Ergebnisse von dort und hier sollen Rückschlüsse auf Gefahren der zivilen Nutzung der Atomkraft gezogen werden. diak

Wer Zähne zur Verfügung stellen will, wende sich an das IPPNW- Büro, Körtestraße 10, 1/61, Tel.: 6930244. Dort erhält er ein Faltblatt. Das gelbe Faltblatt liegt auch bei manchen Zahnärzten aus.