Kühle Blondinen zum Tee

■ Das Gute kam aus Bergisch-Gladbach: Das Xenon-Kino zeigt alte Jerry-Cotton-Filme

Die Kugel schlug in Jesses Körper ein. Jesse glotzte mich immer noch an und hielt krampfhaft den Griff des Colts umschlossen. Er machte noch einen Schritt auf mich zu, dann verdrehte er die Augen, brach mit verdrehtem Körper ein. Mein Freund kam besorgt zu mir herüber. ‘Bist du in Ordnung, Jerry?‚ — ‘Mir geht's prächtig‚, sagte ich.«

So oder ähnlich ist aller Ende Anfang für den FBI-Mann Jeremias Cotton, genannt Jerry, und seinen Männerfreund Phil Decker. Seit 36 Jahren jagt das traute Paar aus Bergisch-Gladbach New Yorks Unterwelt. Auf den Flügeln seines roten Jaguars stöbert Jerry in den hintersten Kaschemmen die schrägsten Banditen auf und bittet danach kühle Blondinen zum Tee.

Gefallen an diesem Mann fand in den 60ern Produzent Arthur Brauner. Acht Filme kamen zwischen 1965 und 1969 auf die Rolle, zwei davon zeigt das Sputnik-Team im Xenon: »Die Schüsse aus dem Geigenkasten« und »Die Rechnung — eiskalt serviert«, beide im körnigsten Schwarzweiß, als stünde die Erfindung des Films noch bevor. Ob dem CCC-Boß die damals erfolgreichen Edgar-Wallace-Filme der konkurrierenden Rialto so schwer im Magen lagen, ist nicht überliefert. Er jedenfalls engagierte flugs Mr. George Nader als FBI-Schmalspur-James- Bond Jerry Cotton.

Wer dreiste Gangster, brave Polizisten und wunderliche Stories schätzt, exotische Straßenschluchten via Studio-Leinwand als letzten Thrill akzeptiert und semi-dokumentarische Schnipsel amerikanischer FBI-Schulungsfilme nicht etwa für Propaganda hält, der (oder die) sitzt in der letzten Reihe des Schöneberger Kinos goldrichtig. Wenn Jerry Cotton seine 38er Smith&Wesson Special elegant im Fallen aus dem Schulterhafter zückt, verflüchtigt sich das Böse auf immer und ewig. Das Chaos — ob als wirre Mörderbande oder Nitroglycerin in der Thermoskanne — hat gegen den züchtigen 007-Bruder aus dem Westfälischen null Chance.

Nur Gutes bringt der »G-man« beim FBI im Taschenheftchenformat für den Bastei-Lübbe-Verlag. Als Auflagen-Bestseller steht er mit 150.000 verkauften Exemplaren fett im Fleische und liegt griffbereit in gutsortierten Bahnhofsbuchhandlungen. Wer nicht genug bekommen kann, für den gibt's Jerry Cottons 1828. Fall: »Die Frau, die keine Gnade kannte« — die sittenfesten 50er sind wohl doch nicht ganz aus der Mode gekommen? Yvonne Rehhahn

Ab heute »Schüsse im Geigenkasten; ab 16. Juli »Die Rechnung — eiskalt serviert« im Xenon, Kolonnenstraße