Regierungschef Algeriens gibt auf

Algier/Berlin (afp/dpa/taz) — Neun Tage nach der Ermordung von Staatspräsident Mohammed Boudiaf hat Algeriens Regierungschef Sid Ahmad Ghozali aufgegeben und damit die politische Krise des Landes und der gegenwärtigen Führung weiter vertieft. Gestern reichte er bei dem neuen Präsidenten Ali Kafi den Rücktritt seiner Regierung ein. Mit der Bildung einer neuen Regierung wurde daraufhin der „Vater“ der Nationalisierung, forcierten Industrialisierung und Kollektivierung der algerischen Landwirtschaft, Belaid Abdessalam, bestimmt. Die algerische Nachrichtenagentur 'APS‘ berichtete gestern, der Wechsel erfolge „im Rahmen der politischen Logik, die fortan gelten“ solle.

Mit der Ernennung Abdessalams greift Kafi, der selbst ein enger Mitarbeiter des ehemaligen Präsidenten Houari Boumedienne war, auf einen alten Kopf der algerischen Politik zurück. Der 64jährige Abdessalam war von 1965 bis 1977 unter Boumedienne Minister für Industrie und Energie und gilt zugleich als der politische „Ziehvater“ von Ghozali. Als Gründer und Chef der staatlichen Ölgesellschaft Sonatrach hatte er zudem die Ölwirtschaft zum beherrschenden Industriezweig gemacht. 1980 verlor er alle bedeutenden öffentlichen Ämter. Er hatte sich kürzlich für die Einführung der Kriegswirtschaft ausgesprochen.

Ghozali war als Chef der Sonatrach und als Industrieminister direkter Nachfolger Abdessalams, bevor er im Juni 1991 die Regierungsgeschäfte übernahm. Als Ministerpräsident versuchte er, die Wirtschaft zu liberalisieren und für ausländische Investoren zu öffnen. Dabei zeigte er sich bereit, die nach der Unabhängigkeit von Frankreich verstaatlichten Ölfelder, die 98 % der Exporteinnahmen sichern, wieder westlichem Kapital zu öffnen. Dieser hochsymbolische Akt stieß jedoch auf Widerstand in der Hierarchie der FLN und des Staatsrats. Das neue algerische Führungsduo Kafi-Abdessalam wird gegenüber ausländischen Investoren und dem IWF vermutlich eine härtere Gangart einschlagen.