Erste Betriebsbesetzung in Ost-Berlin

■ Rund 100 Beschäftigte von BAE-Belfa-Gerätebatterien in Oberschöneweide haben gestern ihr Werk besetzt/ Aufnahme einer zweitägigen »Protestproduktion«/ Rücknahme der Kündigungen gefordert

Treptow. In Ost-Berlin ist gestern zum ersten Mal ein Betrieb besetzt worden. Etwa 100 der 173 verbliebenen Beschäftigten des BAE-Belfa- Batteriewerkes in Oberschöneweide zogen gegen 5 Uhr morgens auf das Betriebsgelände und nahmen eine »Protestproduktion« auf. Bis heute wollen die Beschäftigten, die in letzter Zeit auf Kurzarbeit Null gesetzt waren, rund 100.000 Gerätebatterien produzieren. Ein Teil davon soll anschließend vor die Treuhandanstalt gebracht werden.

Mit ihrer Aktion wenden sich die Beschäftigten gegen die geplante Liquidation ihres Unternehmens durch die Treuhand zum 30. September dieses Jahres. Am Vormittag hatten sich Treuhand, Betriebsrat und Vertreter der IG Metall getroffen, um erneut über die Situation bei Belfa zu sprechen.

Wie von der IG Metall verlautete, habe die Treuhand damit gedroht, den Betrieb ohne soziale Auffangleistung aufzulösen, sollte die Besetzung nicht sofort beendet werden.

Treuhand-Sprecher Wolf Schöde dementierte gestern gegenüber der taz eine entsprechende Äußerung von Treuhand-Vertretern: »Weder sinngemäß noch wörtlich ist das gesagt worden.« Laut Schöde sei die Besetzung eines Betriebes »immer ein rechtlich problematischer Vorgang«. Die Beschäftigten müßten wissen, ob sie damit ihren Forderungen nützten oder schadeten. Wie Schöde weiter erklärte, halte die Treuhand ungeachtet aller Gespräche über soziale Auffangleistungen an den Entlassungen fest: »Ich sehe nicht, wie der Entlassungsstopp angesichts des desolaten Zustandes von Belfa durchgesetzt werden soll.«

Der Betriebsrat forderte gestern erneut, die Kündigungsanweisungen für alle 173 Beschäftigten zurückzunehmen. Außerdem sollte die Treuhand die potentiellen Käufer des 28.000 Quadratmeter großen Geländes offenlegen. Als Anbieter wird vom Betriebsrat »Gewerbe im Park« (GIP) bevorzugt, der sieben Millionen zahlen will. Dieser soll sich bereit erklärt haben, auf dem Gelände Neugründungen vorzunehmen, in denen ein Teil der Beschäftigten unterkommen könnten. Zusätzlich soll die Treuhand nach Ansicht des Betriebsrates garantieren, daß die Arbeitnehmer in einer Beschäftigungsgesellschaft übernommen werden. Dies müsse nicht unbedingt bedeuten, daß weiterhin Gerätebatterien hergestellt werden. Auch produktionsferne Arbeiten — ähnlich wie bei der Konzeption für den Gewerbepark auf dem Gelände des Ostberliner Glühlampenherstellers »Narva« — seien denkbar.

Erst am Donnerstag vergangener Woche waren rund 50 Belfa-Beschäftigte vor die Treuhand gezogen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Dabei hatte die Treuhand zugesagt, ein Konzept für die Auslaufproduktion zu erstellen. sev