: Waffenschmuggel im kleinen Rahmen: "Ganz normale Bürger"
„Ganz normale Bürger“
Lindau (taz) — Die Zollbeamten, vornehmlich an der deutsch-österreichischen Grenze bei Lindau und Füssen, konnten sich in den vergangenen Monaten über einen Mangel an kuriosen Schmuggelversuchen nicht beklagen. Doch während etwa Rauschgift in immer neuen Verstecken eingeführt wird, machen sich die Waffenschmuggler meist kaum noch große Mühe. Im Kofferraum oder unter dem Mantel auf dem Rücksitz kommen Gewehre und Handfeuerwaffen ins Land. Auch in den letzten Tagen ist die Zollfahndung wieder einigen Waffenschmugglern auf die Spur gekommen. Bei acht Hausdurchsuchungen wurden insgesamt 28 Gewehre, 15 Pistolen und 5.000 Schuß Munition sichergestellt, darüber hinaus zahlreiche Schlagringe und Waffenteile. Doch soll es sich bei den Tätern nach den Worten des Chefs der Zollfahndung München ausschließlich um „ganz normale Durchschnittsbürger“ ohne politisches Motiv handeln. Ein Kfz-Mechaniker gehört ebenso dazu wie ein Schreiner, ein Maurer, ein Speditionskaufmann und ein Angestellter, sagt Friedrich Palmer.
Die erhebliche Zunahme von Waffenschmuggelfällen in den vergangenen Monaten erklärt sich die Zollfahndung damit, daß sich herumgesprochen hat, wie einfach man in Österreich Gewehre oder Revolver kaufen kann. Es genügt im Nachbarland nämlich der Personalausweis. Strafbar ist allerdings die Einfuhr. Und weil die Delikte sich extrem häufen, werden in Zukunft „ganz normale Durchschnittsbürger“ beim Grenzübergang verstärkt mit Kontrollen überzogen.
Auch einen Waffenfund, nämlich hochgefährlichen Plastiksprengstoff, vermutete ein Autofahrer in der Nähe von Lindenberg im Allgäu in einer roten Plastiktüte unter einem Baum. Eines ganz bestimmten Bedürfnisses wegen hatte der Mann einen kleinen Parkplatz angesteuert. Er erschrak nach eigenen Angaben furchtbar, als vor ihm plötzlich diese rote Tüte stand. Neun in Folie verpackte Platten, eben der vermeintliche Plastiksprengstoff, fand der Autofahrer, der äußerst vorsichtig eine der Platten aus der Tasche zog und sie zum Zollamt brachte.
Dort stellte sich heraus, daß es sich nicht um Sprengstoff, sondern um Haschisch handelt. Der eilends ausgerückte Streifenwagen konnte jedoch die restlichen Haschischplatten nicht mehr sicherstellen. Die hatte sich inzwischen laut Zollfahndung „vermutlich einer dieser Ameisenschmuggler“ unter den Nagel gerissen. Ameisenschmuggler werden im Zolljargon die Kleinschmuggler genannt, die sich unter anderem mit Haschischhandel im kleinen Rahmen über Wasser halten. Klaus Wittmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen