Knüppeldick weltoffen & liberal

■ Hamburg — Eine Stadt verabschiedet sich vom Rechtsstaat, RTLplus, So., 0.40Uhr

Ist von Hamburg die Rede, denken viele an eine weltoffene und liberale Stadt. Kanal4 zeigt am Sonntag zu später Stunde bundesweit auf RTLplus eine andere Seite der Hansestadt. Die beiden Fernsehjournalisten Ernst Matthiesen und Oliver Neß decken auf, wie sich der Stadtstaat Hamburg immer mehr in Richtung eines „Polizeistaats“ bewegt.

So versuchen seit Jahren Spekulanten und Miethaie das Schanzenviertel, eine der letzten billigen Wohngegenden, umzustrukturieren. Doch die Bewohner des Viertels wehren sich dagegen. Sie befürchten, daß am Ende der Luxus-Modernisierung ihre Vertreibung steht. Gegen den Widerstand setzt der Hamburger Senat Polizeiknüppel ein, ganz im Dienste der Spekulanten.

Für eine effektivere Kontrolle von aufmüpfigen Stadtteilen wurden 1988 spezielle Polizeieinheiten gegründet. Offiziell hieß es von seiten des Senats, die Aufstellung der sogenannten E-Schichten erfolge, „... um in besonders sensiblen Wohngebieten die Art und Weise polizeilichen Eingreifens angemessen steuern zu können“. Der Film zeigt die Umsetzung dieser Vorgabe: Immer wieder werden Menschen auf offener Straße zusammengeschlagen und auf einer Revierwache mißhandelt. Es sind keine Einzelfälle, wie die mehr als 80 Anzeigen (seit 1988) gegen die betroffene Polizeiwache zeigen. Der Vorgesetzte der Hamburger Polizei, Innensenator Werner Hackmann (SPD), sieht keinen Anlaß für die Auflösung der E-Schichten. Die Innenbehörde stellt sich vor die „Polizei-Schläger“.

Dies verwundert nicht, wurde doch in Senatskreisen ein Rechtsbruch geplant. Am 26.Mai 1989 wollte der Senat, wie er selbst zugibt, eine rechtswidrige Räumung der Häuser in der Hafenstraße durchführen. Ein entsprechendes senatsinternes Papier präsentiert Kanal4.

Doch der Hamburger Innenbehörde stehen auch andere, wesentlich subtilere Mittel zur Verfügung als der Einsatz von Polizeiknüppeln. So werden unliebsame Bürger und Organisationen gezielt überwacht und bespitzelt. Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes legte in ihrer Sammelwut beispielsweise Akten über Greenpeace und amnesty international an.

Beliebt ist in Hamburg auch die Pressezensur. Hamburger Journalisten werden an der freien Berichterstattung gehindert, oder der ehemalige, inzwischen verstorbene Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Christian Lochte, interveniert direkt bei den Medien. In diesem Fall liegt ein entsprechendes Dokument aus Staatsschutzkreisen vor. Hamburg — eine Stadt verabschiedet sich vom Rechtsstaat am Sonntag um 0.40Uhr bei RTLplus. Christoph Hermani