Woche der alten Männer

■ In Algerien wird ein Nomenklaturist neuer Premier

Woche der alten Männer In Algerien wird ein Nomenklaturist neuer Premier

Der Vater hat den Sohn beerbt. Auf den glücklosen algerischen Premier Sid Ahmed Ghozali, 55, folgte am Mittwoch Belaid Abdesslam, 64, Ökonom, Nomenklaturist, Vater der algerischen Industrialisierung und Mentor Ghozalis. Die Absetzung des Premiers stand schon seit Wochen an. Ghozali hatte sich beharrlich mit allen überworfen, mit Parteien wie der Presse, mit Gewerkschaftsverband wie den mächtigen Patrons der Staatsunternehmen oder den neuen Kapitalisten. Er hatte Algerien, gefesselt und geknebelt, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geliefert. Das wärmte die ausländischen Investoren kaum. Sein laut gepriesener Plan für den Wiederaufschwung brachte nur Armut und steigende Preise. Der Islamischen Heilsfront (FIS) versprach er freie Wahlen und seinen Herren von der Generalität ein schlechtes Ergebnis der Islamisten.

Belaid Abdesslams Ernennung ist voller widersprüchlicher Zeichen. Er hat als Boumediens Industrieminister zwischen 1965 und 1977 mit 100 Milliarden Dollar die großen Industriekathedralen (Öl, Stahl, Mechanik) gebaut, die der IWF nun demontieren möchte. Von ihm stammt der Satz: „Algerien muß Öl säen, um Industrien zu ernten.“ Er nannte es „industrialisierende Industrien“. Das hat die große Landflucht ausgelöst, und seine Monsterkonzerne laufen auf 20 Prozent ihrer Kapazität. Doch Belaid Abdesslam mag sich nicht wenden. In einem zweibändigen Werk verteidigte er unlängst seinen Plan. Die IWF-„Berater“ in ihrer Suite im Hotel Aurassi haben's säuerlich vermerkt.

Jetzt sieht der neue Premier das Heil gar in einer „Kriegswirtschaft“ — weniger Konsum, weniger Importe, noch weniger Löhne. Das wiederum mag den Weltbänklern gefallen, ist aber gefährlich: Die AlgerierInnen können kaum weniger konsumieren, und die bisherige Politik der Generäle zielt gerade darauf, die Islamisten mit Mehrimporten ruhigzustellen. Belaid ist kein Mann des Gesprächs. Der „modernistische Moslem“ (Selbsteinschätzung) hat sowohl Kommunisten wie Islamisten immer außen vor gehalten. Eine nationalistische Wende in Algerien? Schwer zu sagen. Um den IWF kommt der Premier nicht mehr herum. Und die Raub-Bourgeoisie wird sich ihre Privilegien auch durch eine „Kriegswirtschaft“ nicht stehlen lassen.

Unterm Strich eine klare Verhärtung des Regimes. Es war die Woche der alten Männer. Erst der Boumedienist Kafi, der Untertan mit dem stählernen Zungenschlag gegen die Islamisten, jetzt der autoritäre Boumedienist Abdesslam Belaid. Im Abtrittschreiben Ghozalis schwang drohend der Kasernenton mit: „Sie [Nezzar] brauchen nun eine starke Regierung, die in der Lage ist, die Kräfte des Bösen auszuschalten, die perfid in Verwaltung, Wirtschaft, Medien und Politik agieren.“ Die Generäle, unter Druck der öffnungswilligen Jungen Garde, haben erst einmal zugemacht. Oliver Fahrni